Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
alt wie Schallan waren. Und doch war sie noch so jung. So jung, dass Jasnah noch immer wegen ihrer Schönheit gepriesen wurde und die Männer es als Schande bezeichneten, dass sie nicht verheiratet war.
Schallan blickte zu dem Kleiderstapel hinüber. Sie trug ihren zerbrochenen Seelengießer in ihrer Schutztasche. Hier und jetzt konnte sie ihn austauschen. Das war die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Jasnah traute ihr inzwischen so sehr, dass sie sich in Schallans Gegenwart entspannte und badete, ohne sich Gedanken um ihren Seelengießer zu machen.
War Schallan wirklich in der Lage, diese Tat zu begehen? Konnte sie diese Frau tatsächlich hintergehen, die sie so freundlich aufgenommen hatte?
Im Vergleich zu dem, was ich früher getan habe, ist dies hier gar nichts, dachte sie. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie jemanden betrog, der ihr vertraut hatte.
Sie stand auf. Neben ihr öffnete Jasnah ein Auge, allerdings nur einen Spaltbreit.
Mist, dachte Schallan. Sie steckte sich das Buch unter den Arm, ging auf und ab und versuchte nachdenklich auszusehen. Jasnah beobachtete sie. Nicht misstrauisch, sondern neugierig.
»Warum wollte Euer Vater unbedingt einen Pakt mit den Parschendi eingehen?«, fragte Schallan, während sie hin und her lief.
»Warum nicht?«
»Das ist keine Antwort.«
»Natürlich ist das eine Antwort. Es ist nur eine Antwort, die nichts besagt.«
»Es würde helfen, Hellheit, wenn Ihr mir eine Antwort gäbet, die mir etwas sagt.«
»Dann stell mir eine sinnvolle Frage.«
Schallan reckte das Kinn vor. »Was besaßen die Parschendi, das König Gavilar haben wollte?«
Jasnah lächelte und schloss wieder die Augen. »Schon besser. Aber vermutlich kannst du die Antwort darauf selbst erraten. «
»Splitter.«
Jasnah nickte; noch immer trieb sie entspannt im Wasser.
»Der Text erwähnt sie nicht«, sagte Schallan.
»Mein Vater hat nicht von ihnen gesprochen«, erklärte Jasnah. »Aber aus dem, was er gesagt hat … nun, ich vermute, dass sie der Grund für den Pakt waren.«
»Seid Ihr Euch dessen sicher? Vielleicht wollte er nur die Edelsteinherzen bekommen.«
»Vielleicht«, gab Jasnah zu. »Die Parschendi schienen unser Interesse an den Edelsteinen, die sie sich in ihre Bärte gewoben
hatten, lustig zu finden.« Sie lächelte. »Du hättest unser Entsetzen sehen sollen, als wir entdeckten, woher sie diese Edelsteine hatten. Als die Lanceryn während der Versengung von Aimia abstarben, hatten wir geglaubt, die letzten großen Edelsteinherzen gesehen zu haben. Doch es gab noch ein anderes Untier mit großem Panzer, das in einem Land nicht weit von Kholinar entfernt lebte.
Die Parschendi waren bereit, sie mit uns zu teilen, solange sie diese Tiere ebenfalls jagen durften. Ihrer Ansicht nach gehörten die Edelsteinherzen demjenigen, der sich auch die Mühe machte, die Kluftteufel zu jagen. Ich glaube, dafür wäre kein Vertrag nötig gewesen. Doch kurz vor der Rückkehr nach Alethkar fing meine Familie plötzlich an, von der unbedingten Notwendigkeit eines Vertrages zu sprechen.«
»Was war geschehen? Was hatte sich verändert?«
»Ich weiß es nicht genau. Aber mein Vater hat mir einmal das seltsame Verhalten eines Parschendi-Kriegers während einer Kluftteufeljagd beschrieben. Anstatt nach seinem Speer zu greifen, hatte dieser Mann auf verdächtige Weise die Hand zur Seite ausgestreckt. Nur mein Vater hatte es gesehen. Ich vermute, dass er glaubte, der Mann wollte eine Splitterklinge herbeirufen. Der Parschendi erkannte, was er da tat, und hörte sofort damit auf. Mein Vater hat nicht mehr darüber gesprochen. Ich vermute, er wollte die Aufmerksamkeit der Welt nicht noch stärker auf die Zerbrochene Ebene lenken.«
Schallan klopfte gegen ihr Buch. »Das scheint mir aber ein dünnes Argument zu sein. Wenn er sich hinsichtlich dieser Klingen sicher war, dann muss er doch noch mehr gesehen haben.«
»Das vermute ich auch. Aber ich habe den Vertrag nach seinem Tod sorgfältig studiert. Die Abschnitte über die bevorzugten Handelsbeziehungen und die gemeinsamen Grenzen hätten auch einen ersten Schritt zur Einverleibung der Parschendi in das Reich von Alethkar darstellen können. Er hätte
gewiss verhindert, dass die Parschendi ihre Splitter an andere Nationen verkaufen, ohne sie zuerst uns anzubieten. Vielleicht war das seine Absicht.«
»Aber warum haben sie ihn umgebracht?«, fragte Schallan. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schlenderte auf Jasnahs abgelegte
Weitere Kostenlose Bücher