Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
diejenige war, die dem Hause vorstand … nach dem Ereignis … nach …
Die Erinnerungen bedrängten sie. Der verletzte Nan Balat, sein zerrissener Umhang. Ein langes, silbriges Schwert in ihrer Hand, scharf genug, Steine zu durchschneiden, so leicht, als ob sie aus Wasser wären.
Nein, dachte Schallan, während sie mit dem Rücken an die Steinwand gelehnt dastand und ihre Mappe festhielt. Nein. Denk nicht an die Vergangenheit.
Sie suchte Trost im Zeichnen, hob die Finger an die Mappe und griff nach Papier und Bleistift. Doch der Diener kam zurück, noch bevor sie Gelegenheit hatte, beides hervorzuziehen. »Ihre Hellheit Jasnah Kholin hat tatsächlich darum gebeten, dass ihr eine Leseloge reserviert werde«, sagte er. »Ihr könnt dort auf sie warten, wenn Ihr wollt.«
»Das werde ich gern tun«, erwiderte Schallan. »Vielen Dank.«
Der Diener führte sie zu einem dunklen Gehäuse, in dem vier Parscher auf einer massiven hölzernen Plattform standen. Der Diener und Schallan betraten die Plattform, und die Parscher zogen an den Seilen, die über einen Flaschenzug hoch oben verliefen, und zogen so das Podest den steinernen Schacht hinauf. Die einzigen Lichtquellen waren Bromkugeln, die an allen vier Ecken der Aufzugsdecke angebracht waren. Es waren Amethysten, die ein warmes violettes Licht ausstrahlten.
Sie brauchte einen Plan. Jasnah Kholin schien nicht die Art von Frau zu sein, die ihre Entscheidungen leichtfertig änderte. Schallan würde sie also überraschen und beeindrucken müssen.
Sie erreichten ein Stockwerk, das etwa vierzig Fuß über dem Boden lag, und der Diener gab den Liftführern das Zeichen anzuhalten. Schallan folgte dem Meisterdiener einen dunklen Korridor entlang zu einer der kleinen Logen, die im gesamten Schleier verteilt waren. Sie war so rund wie ein Turm und hatte eine hüfthohe Steineinfassung mit einem hölzernen Geländer darüber. Andere besetzte Logen glühten in den unterschiedlichen Farben der Kugeln, die zu ihrer Beleuchtung benutzt wurden; in der Dunkelheit des gewaltigen Raumes erschien es so, als würden sie in der Luft schweben.
Dieser Alkoven hatte einen langen, gebogenen Steintisch, der unmittelbar in den Rand der Loge eingebaut war. Davor stand ein einzelner Stuhl und darauf eine kelchähnliche Kristallschüssel. Schallan nickte dem Diener ihren Dank zu. Er
zog sich zurück, und sie nahm eine Handvoll Kugeln aus ihrer Tasche und legte sie in die Schale. Nun beleuchteten sie den Alkoven.
Seufzend setzte sie sich und legte ihre Mappe auf den Tisch. Sie machte sich an den Riemen zu schaffen, mit dem die Mappe zusammengehalten wurde, und versuchte sich vorzustellen, womit sie Jasnah überzeugen konnte.
Zuerst muss ich einen klaren Kopf bekommen, entschied sie.
Sie holte aus ihrer Mappe einen Stoß dicken Zeichenpapiers, einige Kohlestifte von unterschiedlicher Strichbreite, ein paar Pinsel und Stahlfedern sowie Tinte und Wasserfarben. Schließlich nahm sie ihr kleineres Skizzenbuch hervor, das die Zeichnungen nach der Natur enthielt, die sie während ihrer Wochen an Bord der Windesvergnügen gemacht hatte.
Zwar waren es einfache Dinge, aber sie waren für Schallan viel kostbarer als eine ganze Truhe voller Kugeln. Sie nahm ein Blatt von dem Stoß, wählte einen Kohlestift mit einer sehr feinen Spitze und rollte ihn zwischen den Fingern. Sie schloss die Augen und betrachtete das Bild in ihrem Kopf: Kharbranth, so wie sie es in jenem Augenblick in ihrem Gedächtnis gespeichert hatte, als sie im Hafen angelegt hatten. Wellen brandeten gegen die hölzernen Pfähle, in der Luft lag ein salziger Duft, Männer kletterten in der Takelage herum und riefen einander aufgeregt etwas zu. Und die Stadt selbst, die sich den Hang hinaufzog: Häuser waren über Häuser geschichtet, nirgendwo schien auch nur ein kleines Stück Boden verschwendet. Fern schlugen Glocken sanft im Wind.
Sie öffnete die Augen und machte sich an die Zeichnung. Ihre Finger bewegten sich wie aus eigenem Antrieb und umrissen zuerst die groben Linien. Das schluchtartige Tal, in dem die Stadt lag. Der Hafen. Vierecke, die die Häuser darstellten, dann ein unregelmäßiger, breiter Strich durch die Mitte, der die große Straße bezeichnen sollte, die hoch zum Konklave führte. Langsam fügte sie eine Einzelheit nach der
anderen hinzu. Schatten als Fenster. Striche für die Straßen. Andeutungen von Menschen und Karren, die das Chaos der breiten Gassen andeuteten.
Sie hatte darüber gelesen, wie Bildhauer
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