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Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1

Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1

Titel: Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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arbeiteten. Viele nahmen einen Steinblock und brachten ihn zunächst in einen vagen Umriss dessen, was sie darstellen wollten. Dann bearbeiteten sie ihn immer wieder und fügten mit jedem Mal neue Einzelheiten hinzu. Bei ihrem Zeichnen war es dasselbe. Zuerst kamen die breiten Linien, dann einige Details, dann noch weitere – bis hin zu den feinsten Strichen. Sie hatte keine formelle Ausbildung im Zeichnen genossen; sie tat lediglich das, was ihr als richtig erschien.
    Unter ihren Fingen nahm die Stadt Gestalt an. Sie befreite sie vom Papier, Linie für Linie, Strich für Strich. Was würde sie ohne dies tun? Anspannung blutete aus ihrem Körper und schien von den Fingerspitzen in den Stift zu tropfen.
    Bei der Arbeit verlor sie jedes Zeitgefühl. Manchmal war ihr, als falle sie in eine Trance, und alles andere verblasste. Ihre Finger schienen beinahe wie aus eigenem Antrieb zu zeichnen. Währenddessen konnte sie sogar an ganz andere Dinge denken.
    Bald hatte sie ihre Erinnerung auf das Blatt gebannt. Sie hielt es hoch, war zufrieden und entspannt, und ihre Gedanken waren wieder klar. Die Erinnerung an Kharbranth war aus ihrem Kopf verschwunden; sie hatte sie in die Zeichnung gebannt. Auch darin lag etwas Entspannendes. Es war, als werde ihr Geist durch die Erinnerungen in Spannung gehalten, bis diese auf das Papier flossen.
    Als Nächstes zeichnete sie Yalb, wie er ohne Hemd in seiner Weste dastand und vor dem kleinen Fahrer gestikulierte, der sie hoch zum Konklave gezogen hatte. Sie lächelte während des Zeichnens und erinnerte sich an Yalbs freundliche Stimme. Vermutlich war er inzwischen zur Windesvergnügen zurückgekehrt. War das schon zwei Stunden her? Vermutlich.

    Es erregte sie mehr, Menschen und Tiere zu zeichnen, als es bei Dingen der Fall war. Etwas Erfrischendes lag darin, ein lebendes Wesen auf das Blatt zu werfen. Eine Stadt bestand aus Linien und Winkeln, ein Mensch aber aus Kreisen und Kurven. Hatte sie das Grinsen auf Yalbs Gesicht richtig getroffen? Konnte sie seine träge Zufriedenheit zeigen und die Art, wie er mit einer Frau weit oberhalb seines eigenen Standes kokettierte? Und der Fahrer mit seinen dünnen Fingern und den Sandalen an den Füßen sowie mit seinem langen Überwurf und der sackartigen Hose. Seine seltsame Sprache, die scharfen Augen, sein Plan, das Trinkgeld zu erhöhen, indem er nicht nur eine Fahrt, sondern auch Erklärungen anbot.
    Wenn sie zeichnete, hatte sie nicht nur den Eindruck, mit Kohle und Papier zu arbeiten. Bei einem Porträt war ihr Medium die Seele selbst. Es gab Pflanzen, von denen man ein winziges Stück – ein Blatt oder einen Teil des Stängels – abschneiden und einpflanzen konnte, worauf ein vollkommenes Ebenbild dieser Pflanze heranwuchs. Wenn sich Schallan einen Menschen einprägte, dann schnitt sie eine Knospe seiner Seele ab und pflanzte sie auf ihrem Blatt ein. Die Kohle, das waren die Sehnen, der Papierbrei die Knochen, die Tinte das Blut, das Gewebe des Papiers die Haut. Sie fiel in einen bestimmten Rhythmus, und das Kratzen ihres Stifts war wie das Atmen derer, die sie zeichnete.
    Schöpfungssprengsel sammelten sich um ihren Block und betrachteten ihr Werk. Wie die anderen Sprengsel waren auch diese immer da, aber für gewöhnlich unsichtbar. Manchmal erregte man ihre Aufmerksamkeit, manchmal auch nicht. Beim Zeichnen kam es dabei ganz auf das Geschick an.
    Schöpfungssprengsel waren von mittlerer Größe, etwa so lang wie Schallans Finger, und sie glühten in einem mattsilbernen Licht, verwandelten sich unablässig und nahmen immer wieder neue Umrisse an. Für gewöhnlich waren es die Gestalten der Dinge, sie sie erst kürzlich gesehen hatten: eine
Kanne, eine Person, ein Tisch, ein Rad, ein Nagel, immer von der gleichen silbernen Farbe, immer von der gleichen geringen Größe. Sie ahmten die Gegenstände genau nach, bewegten sie aber auf sehr seltsame Art und Weise. Ein Tisch rollte zum Beispiel wie ein Rad, und eine Kanne zersprang und formte sich neu.
    Schallans Zeichnen hatte etwa ein halbes Dutzend von ihnen neugierig gemacht und sie angezogen, so wie ein helles Feuer Flammensprengsel anzog. Schallan hatte gelernt, sie nicht zu beachten. Sie besaßen keine Substanz. Wenn Schallan die Arme durch sie hindurchbewegte, verschmierten sie in der Luft wie zerstobener Sand und bildeten sich sofort wieder neu. Sie spürte niemals etwas, wenn sie diese Wesen berührte.
    Schließlich hielt sie zufrieden das Blatt hoch. Es zeigte Yalb und den Fahrer in

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