Der Weg des Feuers
allem nach Waffen suchten.
Doch die Waffe, die der Prophet bald zum Einsatz bringen wollte, konnten sie nicht entdecken.
Die Wildkatze fauchte angriffslustig.
Nach mehreren erschöpfenden Tagesmärschen quer durch Wälder, Sümpfe und Steppen war Iker mit seinen Kräften am Ende.
Wenn das Raubtier von seinem dürren Baum springen und sich auf ihn stürzen sollte, wäre er erledigt. Wütend zog er seinen Wurfspieß und schleuderte ihn los. Die Wildkatze suchte verängstigt das Weite.
Weiter… Er musste weitergehen.
Der Königliche Sohn stand auf, und seine Füße trugen ihn wie von allein voran, so als führten sie ein eigenständiges Dasein.
Schließlich konnten aber auch sie nicht mehr.
Iker streckte sich aus und schlief ein.
Vogelgesang weckte ihn.
Er hatte nur wenige Schritte entfernt von einem Teich, auf dem Lotusblüten schwammen, geschlafen. Der Schreiber wunderte sich, dass er die Nacht überlebt hatte, und genoss das Bad wie ein fröhliches Kind. Als er dann noch ein paar süße Papyrushalme gekaut hatte, erlangte er ein wenig Zuversicht zurück. Doch plötzlich verdeckte eine dunkle Wolke die Sonne
– Hunderte von Krähen mit scharfen Schnäbeln.
Eine von ihnen löste sich aus dem Schwarm und griff ihn an, verfehlte ihn aber knapp. Wenigstens ein Dutzend ihrer Artgenossen tat es ihr nach, und Iker war gezwungen, sich im Schilf auf den Bauch zu werfen.
Wütend kreisten die Vögel über ihrer Beute und stießen schrille Schreie aus.
Iker stand auf und schleuderte seinen Wurfspieß in den Himmel.
Da er doch verzaubert war, konnte er dann nicht den bösen Fluch vertreiben, der sich der Seele der Krähen bemächtigt hatte?
Ein Schnabel hackte in seine linke Schulter, dass das Blut nur so spritzte. Ein anderer streifte seine Haare. Dann zogen die Raubvögel weite Kreise, ehe sie schließlich davonflogen. Der Wurfspieß fiel vor Iker auf den Boden.
Aus Angst vor einem erneuten Angriff der Vögel verließ Iker diesen verfluchten Ort.
Endlose Wüste.
Rote, rissige Erde. Abgestorbene Pflanzen – verdurstet. Weit und breit keine einzige Quelle.
Wo war Ägypten?
Weit weg, viel zu weit weg.
Es gab keine Himmelsrichtungen mehr, keinen Horizont und keine Hoffnung. Nur noch die Hitze und den unerträglichen Durst. Iker musste allein sterben, ohne Ritual und ohne Begräbnis. Die Tragödie, die auf dem Schiff Gefährte des Windes begonnen hatte, fand hier ihre Fortsetzung. Aber diesmal gab es keine rettende Woge, die ihn auf eine Insel des ka trug, und keinen, der ihm zu Hilfe eilen würde. Iker kümmerte sich nicht um die Brandwunden, die die unbarmherzige Sonne verursacht hatte, und setzte sich in Schreiberhaltung auf den Boden.
Der Tod stand jetzt vor ihm wie die Genesung nach langer Krankheit, wie ein betörender Duft, die Rückkehr in die Heimat nach einem langen Exil, wie ein lauer Abend nach einem heißen Sommertag.
Aber Iker wollte nicht sterben.
Da tauchte aus dem Licht ein Vogel mit einem menschlichen Gesicht auf. Seinem eigenen Gesicht.
»Hör auf zu jammern«, sagte er zu ihm. »Willst du ein Feigling sein und jetzt einfach sterben? Du musst dem Pharao eine Botschaft überbringen, die für das Überleben Ägyptens von größter Wichtigkeit ist. Gib dich nicht so einfach auf.«
Und mit mächtigem Flügelschlag verschwand der Vogel wieder Richtung Sonne.
Aber welche Richtung sollte er nur einschlagen? Hier, wo er nur ziellos und verzweifelt umherirren konnte. Da sah er sie plötzlich.
Eine Säule mit vier Gesichtern, und jedes von ihnen zeigte die heitere, lächelnde Isis.
»Ich liebe dich, Isis. Zeig mir den Weg, bitte, ich flehe dich an!«
Die südliche Seite strahlte am stärksten.
Da biss der Königliche Sohn die Zähne zusammen und machte sich auf den Weg nach Süden.
19
Alle Einwohner von Memphis hatten von Nesmontus großem Sieg erfahren. Die Schreiber und Boten vom Sekretariat des Königlichen Rates hatten die Botschaft, die Medes verfasst hatte, in alle Provinzen geschickt. Darin hieß es, der Aufstand in Kanaan sei niedergeschlagen, außerdem wurden die Heldentaten des verdienstvollen Generals gerühmt. Der Sieger, der vor den Pharao trat, war trotzdem griesgrämig.
»Wir haben die Lage in Sichern im Griff, Majestät, und mehrere aufständische Stämme sind mehr oder weniger ausgelöscht. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Freude.«
»Warum diese trostlosen Aussichten?«
»Weil es sich bei den Angreifern nicht um eine richtige Armee handelte, sondern um einen
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