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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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ihrer Spinde anhimmelten oder in Gruppen zusammenstanden und tuschelten. Die Tatsache, dass es heute nicht so war, jagte mir einemittlerweile wohl bekannte Gänsehaut über den Rücken. Irgendetwas musste passiert sein und dass Lian so fröhlich schien, beruhigte mich nicht. Immerhin hatte er auch gestern gelächelt, obwohl Menschen gestorben waren.
    Als wir die Zwischentür zur Eingangshalle aufstießen, kämpfte ich kurz gegen den Impuls, mir die Ohren zu zuhalten. Der Lärm hunderter Schüler strömte uns entgegen und brannte in meinen Gehörgängen. Sie saßen auf den geschwungenen, hellen Marmortreppen, die in die oberen Stockwerke führten, oder traten sich in der kleinen Halle gegenseitig auf die Füße. Mir war bis zu diesem Moment nie bewusst gewesen, wie viele Schüler unsere Schule fasste.
    “Was ist denn hier los?”, brüllte Monja über den abartigen Geräuschpegel hinweg, aber ich hatte den Grund der Unruhe bereits entdeckt: Der Boden, der normalerweise ebenso sandfarben war wie die Wände, hatte heute einen blauen Belag. Erst bei näherem Hinsehen konnte ich erkennen, dass es neonblaue Flyer waren, und dass jeder meiner Mitschüler bereits einen davon in der Hand hielt.
    Ich sah noch einmal zu dem grinsenden Lian auf, bevor ich mich – zeitgleich mit Monja, die scheinbar meinem Blick gefolgt war – nach einem der Flyer bückte.
    Kaum hatte ich die ersten beiden Worte gelesen, die mir in großen, weißen Buchstaben entgegen sprangen, verdunkelte sich mein Blick merklich. “Meine Kinder…”. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Welcher Idiot nannte seine Haustiere schon Kinder? Gut, da gab es sicher einige, aber das waren in der Regel genau die Leute, die sich selbst gern so nennen ließen - von ihren Herren.
    Lian trat dicht neben mich, damit ich ihn gegen die quasselnde Menge hören konnte, aber ich fühlte mich in seiner Nähe auf einmal wahnsinnig unwohl. Mit einer Stimme, die gleichzeitig ruhig und unheimlich erfreut klang, sprach er auf mich ein: “Vorhin gab es so etwas wie eine kleine Explosion in der Luft, wie ein Feuerwerk, und dann kamen wie aus dem Nichts diese Flyer zu Boden gesegelt. Das hättet ihr sehen müssen, es sah genial aus.” Sein Blick machte mir etwas Angst, denn darin las ich eineBesessenheit, die noch unheimlicher war als Monjas. Leiser, damit wirklich nur ich ihn hörte, flüsterte er direkt in mein Ohr: “Ich habe dir doch gesagt, dass die Engel etwas vorhaben. Ich wusste es. Bald sind wir dieses Dämonenpack los.”
    Ob ihm für dieses Ziel auch das ein oder andere Menschenopfer recht war? Was war mit dem süßen, schüchternen Jungen passiert, mit dem ich aufgewachsen war? Die Worte, die aus seinem Mund kamen, noch dazu in diesem besessenen Ton, hätten genauso gut von den Engeln sein können.
    “Oh super!” Monja begann, auf der Stelle auf und ab zu hüpfen, und ich wunderte mich wirklich wie es möglich war, dass man sich springend auf fünfzehn Zentimeter Absätzen nicht beide Beine brach. Aber ich hatte mich ohnehin schon mehrfach gefragt, ob sie vielleicht mit Pumps auf die Welt gekommen war. “Die Engel geben morgen eine Versammlung in der Stadt, ich könnte ausflippen!”
    ‘Unsterbliche Tyrannen.’, korrigierte ich sie in Gedanken, dann schüttelte ich den Kopf. “Daswird eine politische Ansprache. Bist du sicher, dass dich das interessiert?”
    “Auf keinen Fall wird es das!” Sie strahlte mich an und drückte den Flyer an ihre Brust, als wäre er ein Autogramm mit persönlicher Widmung von ihrem Lieblingsschauspieler Navin Leevi. “Ich werde die ganze Zeit dasitzen und die Unsterblichen anstarren. Oh Gott, ich falle bestimmt in Ohnmacht!”
    Lian grinste. “Du bist verrückt, Moni.”
    Ich bemerkte, dass der unheimliche Glanz aus seinen Augen verschwunden war und beschloss, es als leichten Anflug von geistiger Verwirrtheit abzutun. Das hatten wir schließlich alle mal, wenn auch auf nicht ganz so gruselige Art und Weise.
    “Gehst du auch hin?” Lian sah mich mit diesem weichen Blick an, und ich schluckte das “Nee, geht mal alleine” gerade noch so herunter, obwohl es mir in der Kehle brannte. Ich war einfach zu neugierig, was die Unsterblichen geplant hatten. “Ja, klar.”
    “Echt?” Monja sah mich an, als hätte ich auf Chinesisch geantwortet. “Du hast doch gesagt, dass du die Engel nicht magst.”
    Ich spürte Lians bohrenden Blick auf mir und schüttelte schnell den Kopf. “Ich nenne sie lieber Unsterbliche, weil sie nie

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