Der Weg des Unsterblichen
an.
Ich verdrehte die Augen. “Hoffentlich ist das nicht dein Ernst, sonst zweifle ich langsam wirklich an deinem Verstand.” Wahrscheinlich hätte sie wirklich gute Chancen, unseren Biologielehrer um den Finger zu wickeln, so wie sie aussah. Sie hatte eine Spitzenfigur, lange blonde Haare und trug, trotz der heute eher kühlen Temperaturen noch den eigenhändig gekürzten Rock ihrer Sommeruniform und dieBluse, bei der wieder mal nur der unterste Knopf geschlossen war. Aber natürlich würde ich sie nicht auch noch in ihrer dummen Idee unterstützen, als die vernünftige Freundin, die ich für sie war.
“Natürlich meine ich das nicht ernst!”, stöhnte Monja und klappte ihren knallbunten Ordner unwirsch zu. “Den alten Kerl fass ich nicht mal mit der Grillzange an. Ich muss eben meinen Vater darauf vorbereiten, dass möglicherweise eine Note auf dem Weg ist, die nicht so ganz seinen Erwartungen entspricht.” Scheinbar hatte sie sich wieder einigermaßen gefangen. Sie klappte ihren Taschenspiegel auf und zog den erdbeerfarbenen Lipgloss nach. “Wie lief es bei dir?”
Ich zuckte mit den Schultern. “Ganz ok, wird sicher eine Zwei.”
Glücklicherweise war ich auch ohne große Anstrengungen ganz gut in der Schule, wenn ich im Unterricht einigermaßen aufpasste. Das tat ich, aber nicht weil ich um jeden Preis gute Noten haben wollte, sondern weil meine Mutter ähnlich hohe Erwartungen an mich hatte, wieMonjas Vater an sie. Meine Mutter war nicht streng, aber passable Leistungen in der Schule setzte sie voraus. Eigentlich könnte ich noch viel besser sein, aber ich war einfach zu faul zum Lernen.
“Was steht ihr denn noch hier rum?” Ich hob den Kopf und sah einen strahlenden Lian auf uns zukommen. Er hatte die braungebrannten Hände locker in die Hosentaschen seiner hellen Jeans gesteckt und sah merkwürdig glücklich aus.
Bevor ich etwas antworten konnte, hielt Monja die Hand vor mein Gesicht, um mich zum Schweigen zu bringen. War es ihr etwa peinlich, wenn Lian von ihren Noten erfuhr? Sie lachte etwas künstlich. “Wir haben uns nur ein bisschen über unsere berufliche Zukunft unterhalten, mehr nicht.” Hatten wir? Vielleicht wenn sie vorhatte, später als Prostituierte zu arbeiten.
“Du bist ja endlich wieder da!” Monja beugte sich zu ihm hin und grinste, bevor sie die Stimme etwas senkte. “Keine Sorge, Noé hat mir schon erzählt, was los war!”
Lians helle Augen wurden sofort größer, und er starrte mich entsetzt an, also nickte ich hastig,bevor er sich verplapperte. “Ja, ich habe ihr schon gesagt, dass du eine Magenverstimmung hattest und deshalb zuhause bleiben musstest.”
Während Lian erleichtert die Schultern sinken ließ, legte Monja einen Arm um ihn und zog sein Ohr näher an ihren Mund, ein gemeines Lächeln auf den Lippen. “Ich kann schon verstehen, dass du das niemandem erzählen willst.”, raunte sie, und man konnte grenzenloses Vergnügen in ihrer Stimme hören. “Keine Angst, wir verraten niemandem, dass du die letzten Tage auf dem Klo verbracht hast.”
Ganz langsam wanderte Lians Blick wieder zu mir, und er hob eine seiner dichten, schwarzen Augenbrauen, während ich nur grinsend mit den Schultern zuckte. Irgendetwas hatte ich ihr ja schließlich erzählen müssen, und das war meine Rache dafür, dass er zuerst versucht hatte, mich anzulügen.
“Lasst uns doch lieber zu angenehmeren Themen wechseln, ok?” Etwas peinlich berührt wischte er Monjas schlanken Arm von seiner Schulter. Daraufhin grinste sie noch einmal diabolisch und packte dann den Taschenspiegelin ihre Schultasche zurück. “Ich nehme an, du hast schon ein Thema auf Lager? Du hast eben ja gestrahlt, als hättest du das erste Mal im Leben Brüste angefasst.”
Lian ignorierte ihre gehässigen Worte. Seine Augen begannen wieder zu glänzen. “Ich nehme an, dass ihr schon seit Anfang der Pause hier herumsteht und noch nicht in der Vorhalle wart?”
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. “Richtig. Warum, was ist denn passiert?”
Er lachte lautlos und seine Augen blitzten vergnügt auf. Winkend machte er ein paar Schritte den Gang hinunter. “Kommt mit und schaut es euch selbst an. Das kann man nicht beschreiben.”
Monja und ich warfen uns einen kurzen Blick zu, bevor wir Lian durch die engen Gänge unserer Schule in Richtung Ausgang folgten. Erst jetzt fiel mir auf, dass außer uns niemand mehr hier war. Normalerweise waren in der Pause die Gänge voller Schüler, die Star-Fotos an den Türen
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