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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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davor auf sie gewartet, aber wenn man das Endresultat betrachtete, hatte ich scheinbar noch Glück gehabt.
    Sie hatte ihre Haare geglättet, die jetzt glänzend wie goldener Christbaumschmuck über ihre Schultern fielen. Die Augen schwarz eingerahmt, die Lippen nachgemalt und auf den Wangen einen Hauch rosé…hatte sie überhaupt irgendeine Art von Make-up im Schrank stehen lassen? Die Wildleder-Pelz-Stiefeletten hatte sie noch an, dafür fehlte aber immer noch eine Jacke in ihrem Outfit. Nur ein leichter Seidenschal in Rosa bedeckte etwas von Hals und Schultern. Über ihrem rechten Arm hing ein großer Picknickkorb.
    Ich holte tief Luft. »Ich kann dir direkt fünfzig Gründe aufzählen, warum du dieses Outfit heute im Wald definitiv nicht tragen solltest.«
    »Nenn mir die zwei wichtigsten, Schätzchen, aber ich kann nicht versprechen, dass ich zuhöre.« Sie zwinkerte mir zu und hängte den Korb über meinen Arm – hatte sie da Ziegelsteine drin versteckt?! – bevor sie vor mir her die Straße entlangstolzierte.
    Mir entfuhr ein leises Knurren. »Wenn das deine Aufmerksamkeitsspanne sonst übersteigt, dann nenne ich dir gern die zwei wichtigsten Punkte. Erstens: Du wirst jämmerlich erfrieren. Zweitens: Mit den Schuhen wirst du im Waldboden stecken bleiben oder innerhalb weniger Minuten über irgendetwas stolpern und dich sehr unsexy in eine Matschpfütze legen, das kann ich dir so gut wie versprechen!«
    »Das ist alles Berechnung.« Monja hatte schon wieder ihren Handspiegel vorm Gesicht und lächelte mich dadurch süßlich an. Berechnung? Ich hatte meine dunklen Turnschuhe angezogen, weil es matschig war und die dunkelgrüne Jacke mit dem Innenfutter,weil es kalt werden würde. Ihre Art von Berechnung der Situation konnte ich momentan nicht nachvollziehen.
    Monja kniff die roten Lippen zusammen, packte dann den Spiegel in ihre rote Designer-Handtasche und hakte sich dann bei meinem freien Arm unter. Entweder um sich im Notfall an mir festzuklammern, oder um mich mit sich in die Tiefe zu reißen und die Peinlichkeit des Sturzes auf uns beide aufzuteilen.
    »Überleg doch mal…« Sie fasste sich theatralisch an die Brust und richtete ihren Blick in die Ferne, als wolle sie aus einem Shakespeare-Stück zitieren. »Ich armes Ding, wie ich im Wald hinfalle, vollkommen hilflos daliege und auf meinen Ritter in sexy Rüstung warte. Wer kann schon widerstehen, wenn er ein hübsches Mädchen am Waldboden liegen sieht? Richtig, absolut niemand!« Sie schloss die Augen, rieb sich über den Arm als würde sie unheimlich frieren und ich entschied, dass sie nach der Schule unbedingt Schauspielerin werden müsste. »Und wenn mein unsterblicher Ritter auftaucht und sieht, dass dieses arme,hübsche Mädchen so sehr friert, was tut er dann? Genau, er wird mir heldenhaft seine Jacke reichen, in die ich mich einkuscheln kann!« Sie erschauderte wohlig und öffnete ihre Augen wieder.
    Hätte sie sich jetzt verbeugt – ich hätte ihre schauspielerische Leistung mit lautem Beifall gewürdigt. Ihr dummes Grinsen hingegen beantwortete ich nur mit einem Wort: »Verrückte.«
    Als wir langsam in den Wald kamen, schien Monja von ihrer eigenen Idee nicht mehr ganz so überzeugt zu sein. Mit leiser Genugtuung beobachtete ich, wie sie über Steine stolperte und sich die langen Beine an Brombeersträuchern aufkratzte. Ich war eigentlich kein schadenfroher Mensch, aber in dieser Situation war ihr Fluchen wie Musik in meinen Ohren.
    Es dauerte nicht lange, bis wir nur noch ein paar Meter von der kleinen Klippe entfernt waren, man konnte sie schon fast durch die Baumkronen hindurchblitzen sehen, und ich hielt die Augen offen. Aber Azriel ließ sich nirgendsblicken. Ob er doch schon das Weite gesucht hatte?
    »Endlich!« Monja hatte durch die lichte Krone eines alten Baumes hindurch die Klippe erspäht. »Ich laufe vor und warte da vorn auf dich. Lass dir ruhig Zeit, falls mein Ritter dort schon auf mich wartet!« Und flugs hatte sie die Beine unter die Arme genommen und war hinter einer Baumgruppe verschwunden, immer noch eine unglaubliche Eleganz in ihren Bewegungen erkennbar. War es der Gedanke an einen schönen Unsterblichen, der sie plötzlich beflügelte und in diesem Moment ihren eleganten Gang zurückbrachte, oder war es der jetzt einigermaßen ebene Boden ohne Stolperfallen?
    »Schön, dann bis gleich!«, rief ich ihr lustlos hinterher und hatte für einen Moment den Gedanken, mich einfach umzudrehen und in die Stadt zurückzugehen.

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