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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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Minuten und ich bin’s.« Er lachte leise, aber es klang schwach und gepresst.
    Es war absurd, diese Frage zu stellen, obwohl es nicht das erste Mal war. Aber ich tat es trotzdem: »Stirbst du?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    Seine Gegenfrage jagte mir einen Schauer über den Rücken, denn sie war ein eindeutiges Ja. Hinter mir konnte ich bereits von weit her Monja panisch nach mir rufen hören und blickte kurz über die Schulter. Sie war noch nirgends zu sehen, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis sie durch das Dickicht brach und uns entdeckte.
    Azriel berührte für eine Sekunde meine kalte, zitternde Hand, und ich fuhr schaudernd zu ihm herum. Er grinste frech. »Hör auf zu heulen, Kleine.«
    In der nächsten Sekunde begann seine weiße Haut zu glühen, dann zu brennen. Eine Flamme schoss nach oben, knapp an meinem Kopf vorbei, und ganz automatisch schloss ich für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war Azriel verschwunden. Das Gras, auf dem er gelegen hatte, richtete sich langsam wieder auf und abgesehen von dem leichtenBrandgeruch, der in der Luft lag, gab es mit einem Mal keinerlei Anzeichen mehr, dass er überhaupt existiert hatte. Sofort schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf, keiner länger als eine Sekunde, und mein Herz raste, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
    »Noé, ich habe einen Schuss gehört und…« Ich konnte Monjas Schritte hinter mir hören und ihre vor Panik zitternde Stimme, dann erklang ein gellender Aufschrei. »Oh Gott, oh Gott, was ist denn hier passiert? Geht es ihm gut, ist er schwer verletzt?«
    »Ich denke nicht.« Ich sah sie an. »Den Schuss habe ich auch gehört und bin sofort hergekommen. Und da lag er. Ich glaube, er ist nur bewusstlos, aber er hat mir einen gehörigen Schrecken eingejagt!«
    Monja sank neben Lian auf die Knie und untersuchte ihn kurz auf Verletzungen. »Er scheint einen Schlag abbekommen zu haben, sein Kopf ist ganz rot. Aber ansonsten sieht er unverletzt aus, der Schuss hat also nicht ihn getroffen. Bleib du hier, ich laufe schnell zur Straße und rufe einen Krankenwagen, in diesemblöden Wald hat man nicht einmal Empfang, wenn es darauf ankommt…« Sie sprang auf die Füße zurück. »Shit, jetzt erfährt meine Mutter wahrscheinlich doch, dass ich hier oben war. Sie wird mich umbrin… Noé, bist du ok?«
    »I-ich? J-ja, alles ok…«
    »Du musst nicht weinen, Noé. Es wird alles wieder gut. Warte kurz hier, ich bin gleich zurück.« Und elegant wie ein Reh eilte sie durchs Dickicht und war zwischen den Baumgruppen verschwunden.
    Ich ließ die Tränen weiterlaufen, schluchzte und presste die Lippen zusammen. Zusammenreißen, Noé! »Es wird alles wieder gut.«, schluchzte ich, mehr zu mir selbst. Auch wenn ich genau wusste, dass es nicht so war.

6
    Nero . - Am samtschwarzen Nachthimmel funkelten tausende Sterne, glitzerten in weiter Ferne, als ich meinen Blick hob und durch mein Fenster zu ihnen hinaufsah. Es war, als würde meine Gedankenwelt für einen Moment nicht mehr mir gehören, so ungewohnt waren die Dinge, die mir durch den Kopf gingen.
    Über meinen linken Arm spürte ich - wie aus weiter Ferne - einen Tropfen Wasser den Weg über meine Haut suchen. Ein letzter Hinweis auf den anstrengenden Tag, den ich mit einer wohltuenden, kalten Dusche beendet hatte. Langsam, als wäre ich gerade aus einem tiefen, süßen Schlaf erwacht, hob ich die Hand und wischte ihn fort. Dabei strich ich unabsichtlich über das feine Tattoo in Form eines Flügels, das sich als leichte Erhebung schwarzer Farbe auf meinem Oberarm zeigte. Unweigerlich lief ein Schauer über meine Haut, von dem ich nicht sagen konnte, ob er unangenehm oder wohligwar. Für eine Sekunde beobachtete ich fasziniert, wie sich die dünnen Härchen aufrichteten und eine Gänsehaut über meine Arme zog. Dann war es schon wieder vorbei.
    »Morgen ist also der große Tag.«
    Die dunkle, summende Stimme hinter mir kam plötzlich und zerriss die Stille um mich herum. Bis vor wenigen Sekunden war ich noch vollkommen allein in meinem Zimmer gewesen. Dennoch zuckte ich nicht zusammen, gab mir keine Blöße, indem ich Schwäche zeigte, sondern drehte mich langsam um. Der Mann, der hinter meinem niedrigen Bett stand, hatte die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und lächelte ein freudloses Lächeln. Seine Augen waren von einem ozeantiefen Blau, wie die meinen, und hätte er nicht lange, schneeweiße Haare und kleine Fältchen um den Mund gehabt, man hätte ihm

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