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Der Weg des Unsterblichen

Der Weg des Unsterblichen

Titel: Der Weg des Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lueck
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er immer noch meinen Arm festhielt, immer noch so nah vor mir stand, dass sich unsere Körper beinahe berührten. Es war nicht das erste Mal, dass er mir so gefährlich nah war, und es machte mir keine Angst. Seit ich ihn kannte, seit zehn Jahren, hatte ich nur einmal Angst vor ihm gehabt, ansonsten hatte er mir niemals Anlass dazu gegeben.
    Etwas beleidigt drehte ich den Kopf von ihm weg. »Ich bin nicht sauer. Du kannst gehen, wohin du willst.«
    »Natürlich kann ich das. Also, warum tue ich es nicht?«
    Überrascht sah ich auf zu ihm, als ich auf einmal etwas hörte. Schritte, ein Knacken imUnterholz und dann ein Klicken, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Gleichzeitig rissen wir unsere Köpfe herum, aber es trat nicht die Person aus dem dunkelgrünen Dickicht, an die ich gedacht hatte.
    »Lian…«, entfuhr es mir leise, und ich versuchte, das Entsetzen aus meiner Stimme zu verbannen.
    Er stand zwischen zwei Bäumen, einen altmodischen Revolver in der Hand und in unsere Richtung erhoben. Ich kannte die Waffe, sie hatte immer auf dem Bürotisch seines Vaters gelegen und ich wusste, dass sie geladen war. Das Klicken, das ich wenige Sekunden zuvor gehört hatte, war die Entsicherung gewesen.
    »Lian!« Ich wollte etwas sagen und erklären, warum ich hier mitten im Wald stand und mich mit einem Dämon unterhielt.
    »Halt die Klappe.« Die Worte kamen zu meiner Überraschung von Azriel. Er sah mich verärgert an, und erst nach wenigen Sekunden verstand ich. Wie musste diese Szene auf Lian wirken? Azriel, der mich festhielt, gegen einen Baum drückte und sarkastisch grinste?
    Und ich behielt recht. »Rede nicht so mit ihr, Dämon!« Aus Lians Augen sprühte purer Hass. »Lass sie sofort gehen!«
    Azriel lachte, und ich wusste auch genau, warum. Lian hielt die Waffe nicht gerade und seine Hand zitterte. Ob es an seiner Angst oder der Wut lag, konnte man nicht erkennen. Wohl aber, dass er noch nie im Leben einen Revolver benutzt hatte.
    »Hör auf zu lachen!«, brüllte Lian und wieder sah ich diesen irren Blick in seinen Augen, vor dem ich mich vorher schon gefürchtet hatte. »Vielleicht ist es dir ja nicht aufgefallen, aber ich sitze momentan am längeren Hebel!«
    »Schieß doch, möglicherweise triffst du ein Eichhörnchen, das zufälligerweise in deine Schusslinie springt.« Azriel konnte sich kaum halten vor Vergnügen.
    »Lass sie los!«, brüllte Lian noch einmal.
    Meine Fingernägel bohrten sich in Azriels Hände. Ich wollte nicht, dass er mich losließ und von mir weg trat, denn ich war mir sicher, dass Lian vorhatte, wild drauflos zu schießen, sobald er mich in Sicherheit glaubte.
    »Mach dich los und geh von ihm weg!« Er warf mir einen irren Blick zu.
    »Bitte beruhige dich, Lian, du machst mir Angst…«
    » Ich mache dir Angst ?!« Er schien total außer sich. »Mir reicht’s, ich mache diesen Bastard jetzt kalt!«
    Aber der Mut verließ ihn in der letzten Sekunde, bevor er abdrückte und ich konnte sehen, dass er angstvoll die Augen schloss und der silbern glänzende Lauf für eine Sekunde auf mich gerichtet war. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Azriel auch schon vor mich gesprungen war und sich auf Lian gestürzt hatte. Er riss ihn zu Boden, es gab einen ohrenbetäubenden Knall, und ein Schuss löste sich aus der Waffe.
    Azriel hatte Lian am Boden festgenagelt, aber ich sah, dass Blut von ihm zu Boden tropfte. Lian hatte ihn getroffen und es bedurfte nur eines hochgerissenen Knies direkt in die Wunde unterhalb seiner Brust, dass Azriel seinen Griff lockern musste und ebenfalls zu Boden fiel.
    Doch Lian kam nicht mehr nach oben. Er hatte gerade den Kopf angehoben, um sich aufzurappeln, da holte ich aus und schlug ihm den schweren Picknickkorb auf den Kopf. Lian gab einen überraschten Schmerzenslaut von sich und sackte bewusstlos zur Seite. Ich ließ den Korb fallen und spürte, wie meine Finger zitterten. »Das hast du davon, dass du immer denkst, dass du mich beschützen musst!«, fauchte ich seinen leblosen Körper an, bevor ich mich eilig neben Azriel hockte.
    »Bist du in Ordnung?« Meine Stimme war atemlos, denn mein Herz schlug in einem unglaublichen Tempo gegen meine Brust. Bitte nicht, nicht schon wieder! Mein Blick glitt zu der Wunde in der Nähe seines Herzens, auf die Azriel die Hand gepresst hatte. Trotzdem sickerte unaufhörlich Blut an seinen Fingern vorbei und floss auf den Waldboden. Vor Panik wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte.
    »Gib mir fünf

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