Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
schaute auf und sah Luc am Truck lehnen, einen Hut tief in die Stirn gezogen. Er lächelte strahlend, und ich spürte, wie mein Herz einen Sprung machte, obwohl eine Katastrophe drohte. Ich beförderte einen Kiesel mit einem kräftigeren Fußtritt als nötig in den Rinnstein.
» Tag«, rief Luc und schob mit schelmischem Blick den Hut hoch. Wir überquerten die Straße– Colin kochte neben mir–, und Luc hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Dann schlang er mir einen Arm um die Taille und streckte die andere Hand aus, damit Colin sie schütteln konnte. » Ich dachte, es würde vielleicht Zeit, mich vorzustellen.«
Kapitel 25
» Was hast du dir dabei gedacht?«, knurrte ich Stunden später, als Luc mich einen verdunkelten Flur entlangzerrte.
» Das hab ich dir doch schon gesagt– es schien Zeit zu werden, Cujo persönlich kennenzulernen. Der Kerl ist doch langsam misstrauisch geworden.«
» Oh ja– er misstraut. Jedem. Das ist sein Job. Und er ist verdammt gut darin.«
» Entspann dich, Mouse. Jetzt, nachdem wir uns kennengelernt haben, macht er sich nicht mehr so viele Gedanken. Ich habe ihm gezeigt, dass ich harmlos bin.«
Klar. Harmlos. Kätzchen, die sich an ein Wollknäuel anschlichen, waren harmlos. Luc war weitaus eher ein Panther als ein Kätzchen. Er hatte für Colin eine Show abgezogen und war dann gegangen, aber als er nach Mitternacht in meinem Zimmer aufgetaucht war, hatte er kaum Hallo gesagt. Stattdessen hatte er mich durchs Dazwischen gebracht, hierher.
» Also willst du mir wirklich erzählen, dass der Wasserturm irgendein heiliger Hokuspokus-Ort ist? Ernsthaft?« Ich machte mir nicht die Mühe, meine Skepsis zu verbergen. » Das ist ein Haltepunkt bei einer Busrundfahrt– kein heiliger Schrein.«
Evangeline, die vor uns schnellen Schrittes durch die dunklen, widerhallenden Korridore marschierte, rief zurück: » Wenn ich mich nicht irre, ist dieses Gebäude doch ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte, oder etwa nicht?«
Ich entwand mich Lucs Griff. » Es ist mit das einzige Gebäude, das den Großen Brand im neunzehnten Jahrhundert überstanden hat. Aber das war Ingenieurskunst, keine Magie. Stein brennt nicht.«
» Bitte nimm nicht alles so wörtlich, Mo. Das verrät einen minderwertigen Verstand. Dieses Gebäude ist mit Geschichte getränkt– die Wände summen geradezu von dieser Energie. Und so eng an drei der vier Elemente gebunden zu sein, verstärkt seine Macht.«
» Wasser, Feuer, Stein«, murmelte ich, als wir an einem Bild des zinnenbewehrten Turms vorüberkamen, der nach dem Brand stolz inmitten des Schutts stand. » Wäre es nicht besser, wenn er auch noch an die Luft gebunden wäre?«
Luc schenkte mir ein angespanntes Lächeln. » Es besteht kein Grund, gierig zu werden. Es ist wie mit den Talenten– je mehr man davon hat, desto seltener ist die Kombination. Der einzige Platz, von dem wir wissen, dass er zugleich mit allen vier Elementen in Verbindung steht, ist der Bindungstempel.«
» Oh.« Das klang nach einem Thema, dem man besser aus dem Weg ging, also versuchte ich es mit einem anderen. » Warum sind wir hier?«
Evangeline führte uns unbeirrbar ins Zentrum des Gebäudes, zum Fundament des hohen Kalksteinturms, und wir blieben an seinem Fuß stehen und starrten in die gewaltige leere Kammer hinauf. Schwaches Mondlicht schien durch die Fenster ganz oben und bildete einen matten Lichtkreis um uns herum.
» Die Tatsache, dass es dir und Lucien gelungen ist, die Bindungszeremonie zu durchlaufen, war eine Überraschung für mich«, räumte sie ein. » Mir ist der Gedanke gekommen, dass die Prophezeiung vielleicht flexibler ist, als wir es uns bisher vorstellen konnten. Von da an habe ich das, was unsere Gelehrten herausgefunden haben, aus einem neuen Blickwinkel betrachtet.«
» Willst du etwa sagen, dass es einen anderen Weg gibt? Dass die Prophezeiung vielleicht falsch ist?«, fragte Luc rau.
» Es gibt Spielraum?« Mein ganzer Körper erstarrte. Verity war gestorben, Luc hatte mich am Hals, ich spielte als Retterin die zweite Geige, und nichts davon war notwendig gewesen?
Evangeline hob die Hand. » Beruhigt euch, Kinder. Die Prophezeiung hat Bestand, wie seit jeher. Aber wenn der Tod meiner Nichte eines bewiesen hat, dann, dass der Stoff unseres Schicksals nicht so dicht gewoben ist, wie wir gedacht haben. Um ehrlich zu sein, Veritys Überlebenschancen waren viel größer als deine, Mo, aber sogar sie hatte keine Garantien.«
Luc schaute von dem Fenster
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