Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Gedächtnis beflügelt hat«, warf Elsa geschmeidig ein, und Kowalski murmelte wieder etwas ins Telefon. Einen Moment später streifte Typ Nummer zwei, ohne jeglichen Anflug von Erstaunen oder Gefühl, sein fleckiges Hemd ab, um eine schlecht tätowierte blaue Rose zu enthüllen.
» Hilft das?«
Ich stieß einen unverbindlichen Laut aus, und Kowalski musterte mich argwöhnisch.
» Was ist mit Nummer fünf?«, fragte ich.
» Wollen Sie, dass er auch das Hemd auszieht?«
» Es reicht, wenn er den Ärmel aufkrempelt.«
Die Brandnarbe war so groß wie eine Aprikose, glänzend und rosig, längst verheilt. Meine eigene Narbe pochte bei ihrem Anblick, und ich presste mir die Hände auf die Oberschenkel.
Es würde einen ganzen Haufen von Problemen lösen. Kowalski würde den Fall abschließen und mich in Ruhe lassen. Zwei Soziopathen würden meinem Viertel fernbleiben. Billy würde vielleicht sogar Colin von seinen Babysitterpflichten abziehen, sodass ich den nötigen Handlungsspielraum haben würde, mich um die Sturzflut zu kümmern und Veritys Mörder zu finden. Es war nur eine Lüge, und daraus würde so viel Gutes erwachsen…
Aber Colins Worte fielen mir wieder ein. Man muss die Konsequenzen mit einberechnen. Und zwischen all dem Guten versteckte sich eine unbestreitbare Konsequenz: Ich würde mehr wie mein Onkel sein, als ich es je hatte sein wollen.
» Mo? Kommt irgendeiner Ihnen bekannt vor? Haben Sie einen dieser Typen in der Nacht damals in dem Durchgang gesehen?«
Meine Worte kamen wie aus weiter Ferne. » Ich erkenne keinen von ihnen. Ich glaube nicht, dass einer von ihnen da war.«
» Bist du dir sicher?« Elsas Stimme hatte einen ganz leichten Unterton von Schärfe. » Keiner von ihnen?«
» Nein. Es tut mir leid.« Ich wusste nicht, bei wem ich mich entschuldigte.
Kowalski schlug den Ordner zu und stand auf. Als er sprach, klang seine Stimme müde. » Schon gut. Die Identifizierung hätte geholfen, aber wir haben auch andere Indizien. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie es versucht haben.«
Er führte uns hinaus in den Eingangsbereich, wo mein Onkel und Colin auf uns warteten. Keiner sagte viel, bis wir auf dem Parkplatz ankamen. » Nun?«, fragte Billy.
Am Ende antwortete Elsa. » Mo war nicht in der Lage, auch nur einen der beiden Verdächtigen zu identifizieren.«
Billy fluchte. » Du undankbares kleines Gör! Weißt du, was du angerichtet hast?« Er packte mich am Arm und schüttelte mich einmal kräftig. Sofort stand Colin neben mir.
» Ich habe die Wahrheit gesagt«, blaffte ich und riss meinen Arm los. » Das solltest du auch irgendwann mal versuchen.«
» Rede ja nicht in diesem Ton mit mir. Diese Männer sind gefährlich.«
» Warum? Weil sie Verbrecher sind? Da wirft aber einer im Glashaus mit Steinen, oder?«
Er wurde still, während das Gewitter sich zusammenbraute, und trat so nahe an mich heran, dass ich mein Spiegelbild in seinen Pupillen sehen konnte. » Sie haben nichts mit mir gemein! Maß dir nicht an, verstehen zu wollen, welche Zwänge mit meiner Position einhergehen. Du bist ein Kind.«
» Ach ja? Also schickst du Kinder vor, um für dich die Drecksarbeit zu erledigen? Wenn die beiden wirklich so übel sind und so wichtig, dann kümmere dich doch selbst um sie.«
Colin trat zwischen uns, und Onkel Billy stürzte sich auf ihn. » Du solltest mit ihr reden! Wofür zur Hölle bezahle ich dich eigentlich?«
Colin biss die Zähne zusammen, und seine Worte waren bedächtig und ruhig. » Du hast gesagt, ich soll auf sie aufpassen. Ist das immer noch meine Aufgabe?«
Man konnte förmlich sehen, wie Billy seinen Zorn niederrang; seine Finger zuckten, als müsste er gegen den Drang ankämpfen, mich zu erwürgen. » Ja. Sie macht es euch beiden schwerer.«
» Ich mag Herausforderungen«, sagte Colin und führte mich davon.
Als wir weit genug den Bürgersteig entlanggegangen waren, seufzte er. » Das hätte besser laufen können.«
» Findest du, dass ich es hätte tun sollen?«
» Nicht unbedingt. Ich wünschte nur, du hättest dich nicht auf dem Parkplatz mit deinem Onkel angelegt. Das hat ihn nur stinksauer gemacht und dafür gesorgt, dass er schlecht aussieht. Ich versuche, dafür zu sorgen, dass niemand auf dich aufmerksam wird, Mo. Du bist da nicht gerade kooperativ.«
» Tut mir leid.« Ich versetzte einem abbröckelnden Pflasterstück einen Tritt.
» Du warst ehrlich. Meistens ist das etwas Gutes.« Er blickte zum Truck hinüber. » Wie zum Beispiel jetzt.«
Ich
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