Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
mit in ein Nebenzimmer zu kommen.
Wir setzten uns an einen Tisch mit Resopalplatte, Kowalski auf die eine Seite, Elsa und ich auf die andere. Elsa zog einen neuen Notizblock hervor, legte ihn auf den Tisch und sah Kowalski kühl in die Augen. Schweigen– von der unbehaglichen Sorte– breitete sich zwischen uns dreien aus.
» Sie sind keine Verdächtige«, sagte Kowalski abrupt und richtete den Blick auf mich. Er legte den Ordner auf den Tisch und stopfte ein paar Papiere wieder hinein. » Sie brauchen keine Anwältin.«
» Wenn Sie meiner Mandantin noch einmal raten, auf Rechtsbeistand zu verzichten, Detective, dann verklage ich die Stadt und Sie dermaßen, dass Ihnen am Ende nichts bleibt bis auf Ihre Boxershorts.«
Ich biss mir auf die Innenseite der Wange, um nicht zu lächeln. Seltsam, was mir im Moment witzig vorkam.
Kowalski starrte sie finster an und konzentrierte sich dann wieder auf mich. » Ich habe ein paar Bücher mit Fahndungsfotos, Mo– mit Typen, die schon mehrfach gewalttätig geworden sind. Könnten Sie sie für mich durchsehen? Mir sagen, ob irgendjemand Ihnen bekannt vorkommt?«
Als ich antwortete, klang meine Stimme verschüchtert und heiser, sogar in meinen eigenen Ohren. » Ich habe sie nicht so genau gesehen, bevor ich ohnmächtig geworden bin.«
» Es schadet aber doch nichts, einen Versuch zu machen, nicht wahr?«
» Ich glaube nicht.«
Er schob das erste Buch über den Tisch, und ich schlug es auf und blätterte es langsam durch. Keiner der abgebildeten Männer kam mir bekannt vor, aber selbst jetzt, da meine Erinnerungen langsam zurückkehrten, war ich mir immer noch nicht sicher, was ich in dem Durchgang gesehen hatte. Ich musterte die Gesichter– missmutig, zornig, ausdruckslos, jede Hautfarbe, jede Größe–, aber es blitzte kein Wiedererkennen auf, keine Furcht regte sich, keine Erinnerung schlug hoch.
Ich schüttelte den Kopf. » Tut mir leid.«
Kowalski schob mir ein anderes Buch hin. » Keine Sorge. Wir haben noch viel mehr.«
Ich sah mir weiter die Bilder an und fragte mich, wie ich Kowalski irgendwelche Informationen entlocken sollte, als er wieder sprach.
» Mo, ist in den letzten paar Wochen irgendetwas Ungewöhnliches geschehen? Irgendjemand, der sich an Ihren Lieblingsplätzen herumgetrieben hat? Vielleicht mehr als einer? Ist Verity irgendetwas aufgefallen?«
Vielleicht würde ich gar nicht nachhaken müssen. » Verity war in Louisiana. Wenn irgendetwas Ungewöhnliches passiert ist, war ich nicht dabei, um es zu sehen.«
» Ich meinte hier, in Chicago. Hat sich irgendwer verdächtig verhalten? Jemand, den Sie nicht gekannt haben?«
» Ich habe es Ihnen doch gesagt. Alles war völlig normal.« Was ich ihm auch schon die ganze Zeit erzählt hatte. Warum hörte er mir einfach nicht zu?
» Kein Neuzugang im Diner?«
» Die Frage hat sie bereits beantwortet«, mischte sich Elsa ein.
» Nein«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Meine Selbstbeherrschung fühlte sich wie ein zerfasertes Seil an, und ich konnte mir vorstellen, wie es mit einem lauten Knall reißen würde. » Kein Neuzugang.«
» Hat Verity sich häufig im Diner aufgehalten?«
» Sie war den ganzen Sommer über weg.« Er stellte immer wieder dieselben Fragen, als ob ich meine Antwort vielleicht ändern würde.
» Aber sie ist an dem Tag in den Diner gekommen?«
» Ja.« Das Restaurant meiner Mutter heißt The Slice is Right, was gewollt niedlich und etwas peinlich ist, besonders, wenn man dort arbeitet. Sie macht aber lächerlich gute Kuchen, deshalb kommt sie damit durch. Es ist nicht besonders schick, nur acht Tische und eine Theke, die alle bessere Tage gesehen haben, und eine so altmodische Einrichtung, dass sie schon fast, aber noch nicht ganz, wieder in Mode ist. Verity war an dem Nachmittag vorbeigekommen, golden und strahlend, und hatte den Raum etwas frischer und heller wirken lassen, ihn von heruntergekommen in traditionell verwandelt, wie sie es immer tat.
» Du bist wieder zu Hause! Du solltest doch erst in einer Woche wiederkommen!«
Wir umarmen uns und führen neben Tisch sechs praktisch einen Freudentanz auf.
Verity zuckt mit den Schultern und schüttelt sich die Haare aus dem Gesicht. » Ich war bereit, nach Hause zu kommen.«
Ich ziehe sie mit an die Theke. » Ja? Erzähl mir alles.«
» Viel gibt es da nicht zu erzählen«, sagt sie und spielt mit der Liste der Tageskuchen herum. » Und ich kann nicht bleiben.«
» Was ist los?«
» Nichts.« Sie steckt die
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