Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
beeindruckt von der Art, wie du mit allem, was geschehen ist, umgegangen bist.«
Ich blickte zu ihr hoch. Ich konnte mit dem, was passierte, genauso wenig umgehen, wie ich eine der Akrobatinnen hätte sein können, die man im Cirque du Soleil sieht. Es verlangte mir jedes bisschen Willenskraft ab, morgens aufzustehen. Ich war hin- und hergerissen zwischen einem Zorn, der mich wünschen ließ, alles um mich herum zu zertrümmern, und einer Erschöpfung, aus der heraus ich mich für die nächsten zehn Jahre unter der Bettdecke verkriechen wollte.
» Dein Onkel sagt, du wärst eine sehr gute Schülerin.«
» Ich lerne fleißig.«
Dass in ein paar Tagen die Schule wieder losgehen würde, war einer der Gedanken, die mich zurück unter die Decke kriechen ließen. Alle würden Fragen haben. Alle würden mich anstarren und tuscheln, und diese Last ließ die Vorstellung, zu Hause unterrichtet zu werden, sehr attraktiv erscheinen.
» Ich habe mich heute in Kowalskis Verhör nicht eingemischt, Mo, weil ich sehen wollte, worauf er hinauswill. Jetzt hat er die Karten auf den Tisch gelegt, und wir müssen ein paar Regeln festlegen.«
Oh, hervorragend. Genau das, was ich brauchte.
Wir bogen ins Parkhaus ein, und ich stolperte bei dem Versuch, mit Elsas kleinen, aber zielgerichteten Schritten mitzuhalten. » Drei einfache Regeln. Erstens sprichst du nicht ohne mich mit Kowalski oder sonst jemandem vom Polizeirevier. Überhaupt nicht. Wenn sie wissen wollen, wo es zur Michigan Avenue geht, rufst du mich an. Wenn sie wissen wollen, wie dein Hund heißt, rufst du mich an.«
Ich zog in Erwägung, sie darauf hinzuweisen, dass ich keinen Hund hatte, aber Elsas Gesicht hatte einen diamantharten, geschäftsmäßigen Ausdruck angenommen. Sie fuhr fort: » Wenn sie übers Wetter reden wollen…«
» Rufe ich Sie an. Verstanden.«
» Regel Nummer zwei. Wenn wir bei einem Verhör sind, beschränk dich auf kurze Antworten. Ja, nein, Daten, Zeitangaben. Du beantwortest ausschließlich die Fragen, die er stellt.«
» Das habe ich doch getan!«
» Du hast widersprochen. Du hast deinen Onkel verteidigt. Du hast die Fortschritte der Ermittlungen infrage gestellt. Das ist nicht deine Aufgabe, es ist meine. Ich bin besser darin als du, und dein Onkel bezahlt mich sehr, sehr gut dafür, es zu tun, also überlass es auch mir.«
Wir blieben vor einem glänzenden schwarzen Mercedes stehen, und Elsa zog die Schlüssel aus ihrer Hermès-Handtasche. Sie übertrieb nicht, was ihre Preise anging.
» Aber Onkel Billy hat doch nichts getan. Und wie soll ich herausfinden, was mit Verity geschehen ist, wenn ich keine Fragen stelle und Kowalski so ein Trottel ist?«
Sie lächelte dünn, als sie ihre Tür öffnete und mir bedeutete einzusteigen. » Kowalski ist kein Trottel. Er ist ein erfahrener Ermittler, der in diesem Fall auf der falschen Spur ist. Wenn du ihn wieder auf die richtige bringen willst, musst du dafür sorgen, dass deine Antworten ihn darauf verweisen.«
» Sie meinen, ich soll lügen.« Ich ließ meinen Sicherheitsgurt einrasten und versuchte, unschuldig dreinzublicken.
» Es sind keine Lügen, wenn sie ihnen helfen, Veritys Mörder zu finden.«
Ich wusste nicht, was die richtige Spur war. Ich hatte nur eine Ahnung, was die Verbindung zwischen Luc, Evangeline und Veritys Reise nach Louisiana betraf. Und eine dumme Schneekugel.
Elsa schenkte mir ein falsches, plump vertrauliches Lächeln, das Lächeln, das Erwachsene einsetzen, um uns zu zeigen, dass sie wirklich ganz bestimmt auf unserer Seite sind. Es ist ein Gesichtsausdruck, den Beratungslehrer überall lieben, und er funktionierte so gut wie sonst auch, also überhaupt nicht. Elsa setzte aus der Parkgarage und fuhr auf die Straße hinaus. » Ich weiß ja, dass du gesagt hast, dass nichts Ungewöhnliches los war, als Verity nach Hause gekommen ist, und dass du dich in Bezug auf den Angriff an nichts weiter erinnerst. Aber wenn da doch etwas war…«
» Da ist nichts«, sagte ich und ließ mich tiefer in den butterweichen Ledersitz sinken.
Ich nehme an, ich hätte ihr von Luc erzählen können. Er war mein einziges tragfähiges Bindeglied, der Teil des Geheimnisses, der Verity nach Hause gefolgt war. Er hatte klargestellt, dass er nicht interessiert daran war, mir zu helfen, und Elsa war angeblich auf meiner Seite. Und doch hielt mich etwas zurück. Vielleicht lag es daran, dass Luc, obwohl er so viele Ausflüchte machte, wirkte, als ob Verity ihm wirklich etwas bedeutet
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