Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Stimme zu hören– zu sehen, wie der Kummer seinen ganzen Gesichtsausdruck trostlos machte, war mehr, als ich ertragen konnte. Das Wissen, dass noch jemand Verity geliebt hatte, hätte bewirken sollen, dass ich mich weniger allein fühlte. Stattdessen spürte ich, wie mich Eifersucht durchströmte– und Beschämung. Sie bildeten ein perfektes Paar, ließen mich außen vor. Wieder einmal. Ich war mir aber nicht sicher, auf wen ich eifersüchtiger war– auf Luc, weil er gewusst hatte, wer Verity wirklich war, oder auf Verity, weil sie Luc bekommen hatte. Er war arrogant und nervte und war eindeutig in keiner Hinsicht gut für mich, und doch spürte ich diesen seltsamen kleinen Schluckauf in den Adern, wann immer er mich anblickte. Ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass Luc mich deutlicher als irgendjemand sonst sah. Wirklich mich sah, nicht nur das Mädchen, von dem ich alle anderen glauben ließ, dass sie es kannten.
Es war kein angenehmes Gefühl.
Ich schob mich auf die Tür zu; ich hatte es eilig, zu Lena und zu der diskret schnüffelnden Ms. Corelli zurückzukommen, aber Luc trat näher heran und umfasste meinen Ellbogen mit der Hand.
» Komm.« Sein Tonfall war wieder wie immer– diese übermäßig selbstsichere, schleppende Sprechweise, die mich wünschen ließ, ihn mit dem nächstbesten stumpfen Gegenstand zu schlagen und gleichzeitig die Augen zu schließen und in ihrer Wärme zu versinken. » Auf uns wartet Arbeit.«
Er zeichnete mit dem Finger eine Flammenlinie in die Luft und murmelte dabei etwas. Ich zuckte zurück. Die flackernde Linie war ruhiger, als sie es im Park gewesen war, aber sie mitten in der Schulcafeteria zu sehen, war trotzdem irritierend.
» Ich muss wieder nach oben. Wir legen gerade letzte Hand an die Schülerzeitung.« Ich hob wie zum Beweis die beiden Softdrinkflaschen hoch. » Sie warten auf mich.« Ich erwähnte nicht, was Colin tun würde, wenn er herausbekam, dass ich weg war.
Luc hielt im Zeichnen inne. Der Türrahmen war halbfertig und hing mitten in der Luft vor der Pokalvitrine. Die Magie ließ das Grün seiner Augen lebhafter wirken; es strahlte geradezu. Ich fragte mich, ob man die Magie messen konnte, ob sie irgendwo im Infrarotspektrum oder auf einem Geigerzähler angezeigt wurde. Magie wäre so viel einfacher gewesen, wenn es einen Weg gegeben hätte, sie zu erklären.
» Ich dachte, du wolltest dabei sein«, sagte er verächtlich. » Wenn es dir natürlich wichtiger ist, an deinem Schulprojekt zu arbeiten, statt herauszufinden, wer Verity getötet hat, dann husch nur zurück, Mouse. Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
Er zeichnete die Oberkante der Tür fertig und begann mit der letzten Seite. Ich warf einen Blick zurück zur Treppe und war mir sicher, dass er sein Angebot nicht wiederholen würde. Verity würde Gerechtigkeit weitaus mehr zu schätzen wissen als irgendeinen Nachruf in der Schülerzeitung.
» Warte.« Ich stellte die Limonadenflaschen unter die Vitrine. » Ist es auch sicher?«
» Spielt das eine Rolle? Halt dich gut fest, dann passiert uns nichts.«
» Könnten wir nicht einfach ein Taxi nehmen?«
» Nach New Orleans? Nein.« Er streckte die Hand aus. Ich ergriff sie und spürte, wie meine Atmung sich beschleunigte.
Luc zog mich näher heran, schlang mir beide Arme um die Taille. Ich wusste nicht, wohin ich meine Hände legen sollte– an seine Brust, um seinen Hals? Oder sollte ich sie einfach herunterhängen lassen?
Er grinste. » Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um schüchtern zu sein«, sagte er. » Wie wär’s, wenn wir so tun, als ob wir tanzen?«
Ich ließ meine Hände auf seinen Schultern ruhen und fühlte mich so schüchtern und dämlich wie ein kleines Mädchen auf seiner ersten Tanzveranstaltung. Luc zog mich enger heran. Wir waren nahe genug beieinander, dass ich das Webmuster des seidig zarten, schwarzen Baumwollstoffs seines T-Shirts sehen und die Wärme, die von seiner Haut ausging, spüren konnte.
» Siehst du? Gar nicht schlimm.« Seine Stimme war leise, verwirbelte mein Haar. » Versuch diesmal, dich nicht zu übergeben, in Ordnung?«
Kapitel 17
Als wir ankamen, stolperte ich gegen Luc. Meine Nase prallte gegen seine Brust, und er umfasste meine Taille fester, um mich zu stützen.
» Ich hab dich.«
Der Boden unter meinen Füßen wackelte und wankte, und ich klammerte mich an Luc. Es war peinlich, aber das wäre es auch gewesen, wenn ich mich auf seine Schuhe übergeben hätte.
» Geht’s dir
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