Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
wieder los, hielt aber meine Hand fest.
» Nicht wirklich, nein.«
Wir gingen den Rest des Weges schweigend. Es fühlte sich anders als in Chicago an. Die Nachtluft war schwer und warm, kein Anflug von Herbst. Es roch nach Blumen und Gewürzen statt nach Beton und dem See. Lucs mit meinen verschränkte Finger waren stark und echt, der einzige Teil dieser Nacht, der auch nur in Ansätzen normal war.
» Hier«, sagte er und blieb stehen.
Es war ein mit Brettern vernagelter, verfallener Laden. Die Sperrholzabdeckung der Fenster war mit Graffiti beschmiert, und ein schmutzverkrustetes » Zu Verkaufen«-Schild war an die Tür genagelt. » Hier? Du triffst dich hier mit diesen Leuten? Das ist ein leer stehendes Mietshaus!«
» Zauber verbirgt mehr als Menschen.« Er stieß die Tür auf. Musik und Stimmen drangen dahinter hervor, und er führte mich hinein.
Der Raum, in den wir traten, war keine Bruchbude– schwach beleuchtet, mit Lampen, die warme Lichtkreise auf abgenutzte Holztische und ein paar Billardtische warfen, an denen Spiele stattfanden. In der gegenüberliegenden Ecke spielte ein grauhaariger alter Mann irgendeine Bluesmelodie auf der Gitarre, während eine wunderschöne Frau, deren Haar einen Wasserfall aus winzigen Zöpfen bildete, sich im Takt bewegte und von Liebe und Lügen sang. Ihr Kleid glitzerte und warf Regenbögen auf Fußboden und Wände. Als sie Luc entdeckte, neigte sie den Körper zu ihm hinüber; ihr Lächeln war eine sinnliche, eindeutige Einladung. Er nahm sie mit einem Nicken und einem kurzen Aufblitzen seiner Zähne zur Kenntnis, aber seine Augen blieben kühl und undurchdringlich.
Während er meine Hand weiter fest im Griff hielt, ließ Luc den Blick durch den Raum schweifen. Die Leute schienen ihn zu kennen– viele von denen, die an der langen Kupfertheke saßen, nickten zum Gruß. Einige der Gäste an den Tischen unterbrachen ihre Gespräche und gafften ihn offen an.
Er beugte sich zu mir. » Es wäre ganz hilfreich, wenn du etwas weniger wie ein Hirsch im Scheinwerferlicht gucken könntest. Vielleicht könntest du sogar so tun, als ob du mich magst.«
Ich verdrängte meine Verärgerung und lächelte ihn an– ein langsames, träges Lächeln wie die, die er mir manchmal schenkte, die, die mich ein kleines bisschen schwindlig werden ließen. Er blinzelte und lächelte zurück; ein Hauch des Raubtiers war zu erkennen. Ich hatte mich zuvor noch nicht wie Beute gefühlt, aber jetzt tat ich es.
» Das solltest du öfter tun«, sagte er, wobei seine Lippen mein Ohrläppchen streiften, und ging dann wieder daran, sich im Raum umzusehen.
Am Ende konzentrierte er sich auf eine tiefe Nische in der allerhintersten Ecke. Der kleine Lichtkreis beleuchtete die Person, die dort saß, nicht. Die Tische in der Nähe waren alle leer. Er zog mich vorwärts. » Die Vorstellung beginnt!«
Wir näherten uns dem Tisch, und Luc hielt mich teilweise hinter sich.
» Ah, Luc«, ertönte eine satingleiche Stimme aus dem schattigen Winkel der Nische. » Ich habe mich schon zu fragen begonnen, ob du noch auftauchen würdest.«
» Niobe. Es ist mir wie immer ein Vergnügen. Dürfen wir uns setzen?«
» Wir?« Eine Frau mit muskatnussfarbener Haut beugte sich ins Lampenlicht vor. » Eine neue Gefährtin? Schon? Das könnte Gerede geben.«
Luc zog mich näher an sich und fuhr mir mit der Hand über den Arm. Die Geste war eher besitzergreifend als zärtlich. » Es ist doch gut, wenn man den Leuten etwas zu reden gibt«, sagte er leichthin. » Verity ist nicht mehr da. Die alten Regeln gelten nicht mehr.«
Niobe musterte mich genau, und der Druck von Lucs Fingern auf meinem Arm hielt mich davon ab, mich unter ihrem Blick zu winden. Ihre Miene verriet vage Abneigung. » Die Abmachung galt mit dir allein. Das Mädchen ist nicht willkommen.«
» Sie wird kein Wort sagen«, erwiderte er affektiert und spielte mit den Spitzen meines Haars. » Sie wird einfach dasitzen und hübsch aussehen.«
Ich riss meinen Ellbogen weg; plötzlich hatte ich das Bedürfnis, ihn ihm in die Eingeweide zu rammen. Er verstärkte seinen Griff.
» Sie gehört nicht hierher.«
» Sie gehört zu mir«, sagte er mild.
Zu ihm? Nur mein Versprechen Verity gegenüber hielt mich davon ab, Luc zu sagen, wohin genau er sich sein dummes Schwert stecken konnte.
» Sie wartet an der Bar. Ich mache keine Geschäfte mit Flachen.«
Er schnaubte. » Ich wusste ja nicht, dass du so übertrieben empfindlich bist.«
» An der Bar, Luc, oder es
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