Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
gut?«
Mein Gesicht war noch immer in seinem T-Shirt begraben; ich spürte den weichen Jersey-Stoff an der Wange und hatte die Augen zugekniffen. Ich nickte unsicher. Als mein Kopf dranblieb, ließ ich los und trat zurück. Wir standen auf einem Hof, die Luft war feucht und mild, und weiße Blumen leuchteten vor Büschen, die im Licht der Abenddämmerung schwarz aussahen.
» Ist es immer so? Ins Dazwischen zu gehen?« Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte die Übelkeit nieder.
» Weiß ich nicht«, sagte er. Er führte mich über einen Weg aus winzigen Muschelschalen, die unter unseren Füßen knirschten. » Ich musste vor dir noch niemanden mit hindurch nehmen.«
» Was, verbringst du etwa nicht viel Zeit mit Flachen?« Ich hatte sarkastisch klingen wollen, aber es hörte sich aufrichtig neugierig an. » Was ist mit der Schule?«
» Ich habe keine besucht. Zumindest nicht so eine wie du.«
» Verity schon.«
» Veritys Eltern waren Flache. Kinder, die in einem Haus mit Magie aufwachsen, machen das anders.«
» Also bist du nie mit Flachen zusammen? Wirklich nicht?«
» Normalerweise nicht.« Er sagte das so beiläufig, dass ich wusste, dass es der Wahrheit entsprechen musste. Ich schwankte, unsicher, ob ich mir wie etwas Besonderes oder wie eine Missgeburt vorkommen sollte. Er beugte sich vor und tippte mit zwei Fingern auf das Schloss eines hohen, schmiedeeisernen Tors. Es schwang lautlos auf. » Ins Dazwischen zu gehen sollte leichter werden, je häufiger du es tust.«
» Ich habe nicht vor, das zur Gewohnheit zu machen.« Der Gedanke, so oft ins Dazwischen zu gehen, wie ich in einen CTA -Bus stieg, ließ meine Knie nachgeben.
Luc sah mich seltsam an, sagte aber nichts.
» Du hast diesmal nicht das Schwert benutzt.«
Er schüttelte den Kopf. » Ich brauchte es nicht. Jeder Bogen hat einen Kanal, etwas, das man benutzen kann, wenn man viel Magie auf einmal braucht. Aber das ist nicht gerade raffiniert, oder?«
» Und du hast es lieber raffiniert?«
» Oh, Mouse. Raffinesse ist mein Ein und Alles.« Sein Daumen beschrieb einen langsamen Kreis in meinem Kreuz, und ich stolperte.
Um das zu überspielen, fragte ich: » Was tun wir hier überhaupt? Das hast du mir noch nicht gesagt.«
» Niemand weiß, wer den Auftrag gegeben hat, Verity zu töten, und wenn jemand es weiß, dann sagt er nichts. Aber die Person, die wir heute Nacht treffen, weiß um die Gründe.«
» Du hast gesagt, es sei geschehen, um der Prophezeiung entgegenzuwirken.«
» Magie ist etwas Sonderbares; das Schicksal auch. Sobald man an dem zu rütteln versucht, was vorherbestimmt ist, kann man die Folgen nicht mehr abschätzen– wie etwa das, was mit dir geschehen ist. Wir müssen wissen, warum jemand die Prophezeiung zerstören wollte und was er damit zu erreichen hoffte. Wenn wir das herausfinden, wissen wir auch, wer Vee getötet hat.«
» Was mache ich?«
Er zögerte. » Mir folgen.«
Seine Nicht-Antwort machte mich misstrauisch. Das muss auch mein Gesichtsausdruck verraten haben, denn er blieb wieder stehen, atmete langsam aus und nahm meine Hand. » Dieses Treffen… es wird dir nicht gefallen. Aber wenn jemand bemerkt, dass du daran Anstoß nimmst, werden wir nicht bekommen, was wir brauchen. Und um ehrlich zu sein: Ich sollte dich eigentlich gar nicht mitbringen– das ist nicht der richtige Ort für dich.«
» Warum hast du mich dann mitgenommen?«
Er lächelte spöttisch. » Du hast gesagt, du wolltest dabei sein, Mouse. Ich versuche nur, unsere Abmachung einzuhalten.« Seine Miene wurde nüchterner. » Was auch geschieht, was auch gesagt wird, du musst dir auf die Zunge beißen und dich damit abfinden. Kannst du das?«
Ich hatte mir einen Großteil meines Lebens auf die Zunge gebissen. Brave Mädchen streiten sich nicht mit ihren Müttern, ihren Onkeln, ihren Lehrern, ihren Kunden… sie streiten sich nicht. Also hatte ich mich siebzehn Jahre lang zurückgehalten, außer vor Verity. Ihr gegenüber hatte ich genau das sagen können, was ich gedacht hatte, und sie war froh darüber gewesen. » Und da sagen immer alle, dass du die Brave bist!«, hatte sie gelacht. Aber das war ich nicht– ich war die Stille. Seit Verity gestorben war, hatte ich mir immer weniger auf die Zunge gebissen. Das hätte sie gutgeheißen, besonders Luc gegenüber. Aber für heute Abend, für sie, konnte ich wieder still sein.
» Erklärst du mir später alles? Die Dinge, die ich nicht verstehe?«
» Tue ich das nicht immer?« Er ging
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