Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Feuerschein goldene Funken auf sein Haar warf. Meine Finger krampften sich in den Stoff des Kleids, zerknitterten die zarte Seide, erinnerten mich an seine Haut, als wir uns geküsst hatten. Ich wollte das noch einmal, dieses Gefühl, abzustürzen, den schieren grandiosen Leichtsinn darin. Die Bindung zu vollziehen bedeutete, all das aufzugeben. Ich würde mich damit abfinden, dass ich die Zweitbeste war, zweite Wahl, der Trostpreis.
Er trat näher heran. » Wir brauchen ein bisschen Zeit«, sagte er zu Evangeline.
Sie schüttelte den Kopf. » Wir haben keine. Es ist zwingend notwendig herauszufinden, ob sie dazu taugt.«
» Das tut sie«, sagte er ruhig und sah mir weiterhin in die Augen. » Aber wir machen es entweder richtig oder überhaupt nicht.« Ich zuckte angesichts seines warnenden Tonfalls zusammen. Es lag nichts von der charmanten Überredungskunst darin, die ich gewohnt war. Das hier war eine plumpe Drohung, und ich versuchte, mich ihm zu entziehen. Er verstärkte den Griff um meine Hände und wandte sich an Evangeline. » Geh jetzt.«
Sie schürzte die Lippen, als hätte sie in eine Pflaume gebissen und unter der Oberfläche eine Zitrone entdeckt. Dann glätteten sich ihre Züge, und sie neigte den Kopf. » Fünf Minuten.« Mit einer Handbewegung öffnete sie eine Tür ins Dazwischen und verschwand.
Luc blickte mich an, als hätte er mich noch nie gesehen. » Du hast Locken«, sagte er und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
Es war so seltsam, dass er ausgerechnet das bemerkte, dass ich gar nicht anders konnte, als mich zu entspannen. » Ich… ja. Ich trage sie aber meistens geglättet.« Ich hatte die Widerspenstigkeit meines krausen Haars stets verabscheut. Einzelne Strähnen entkamen immer sämtlichen Spangen und Haargummis, die ich einsetzte, und Locken flogen überallhin. Es war einfacher, die Haare beim Föhnen zu glätten und sich auf ein ganzes Arsenal von Stylingprodukten zu verlassen.
» Das gefällt mir«, sagte er. » Die Art, wie sich das Licht darin fängt.«
» Danke«, erwiderte ich automatisch und spannte mich wieder an. » Du musst nicht nett sein. Wir können das hier einfach hinter uns bringen.«
» Mouse, du weißt, dass ich nie irgendetwas tue, nur um nett zu sein. Na ja, fast nie«, verbesserte er sich. Aus dem Nichts zauberte er ein kleines, sorgsam gefaltetes Stück violetter Seide hervor und hielt es mir hin.
» Mein Schal!«
» Du hast ihn bei mir vergessen. Ich dachte, du vermisst ihn vielleicht.«
Er schlang ihn mir um den Hals; seine Finger fühlten sich durch den dünnen Stoff sanft und warm an.
» Danke«, sagte ich. Diesmal meinte ich es aufrichtig.
» Gern geschehen. Immer noch nervös?«
» Du etwa nicht?«
» Das hat nichts zu bedeuten.« Er verschränkte die Finger mit meinen. » Es tut mir leid, dass sich alles so entwickelt. Wenn es einen anderen Weg gäbe, würde ich ihn einschlagen, das schwöre ich.«
Was hieß, dass an mich gebunden zu sein, Schicksal hin oder her, das Letzte war, was er wollte. Ich sah beiseite.
» Atme, Mouse. Tu’s für mich. Komm schon.«
Ich stieß einen zittrigen Atemzug aus, und er zog mich näher an sich, führte meine Hände beide an seine Lippen. » Es wird nicht so schlimm.«
» Wird es wehtun? Magie tut immer weh.«
Er neigte den Kopf zur Seite. » Was meinst du damit?«
» Ins Dazwischen zu gehen. Evangelines Verhüllungszauber. Der Typ in der Bar. Jedes Mal, wenn ich in die Nähe von Magie komme, tut es weh.«
» Alle Magie hat ihren Preis«, sagte er und klang entschuldigend. » Du bekommst das Schlimmste davon ab, weil du eine Flache bist. Tut es dir weh, wenn ich dich heile?«
Die kribbelnde Wärme, wann immer er mich berührte, war verstörend, aber sie tat nicht weh– zumindest nicht so, wie er meinte. » Nein. Dir?«
Er zuckte die Achseln. » Das ist nichts, womit ich nicht umgehen könnte. Heute Nacht ist es anders. Es wird ein bisschen wehtun, aber du wirst zugleich einen Rausch verspüren.«
» Hast du das hier auch mit Verity getan? Den Zauber gewirkt?«
Sein Griff lockerte sich. » Nein. Sie war noch nicht bereit. Ich habe ihr den Ring gegeben, bevor sie zurückgefahren ist. Wir dachten, wir hätten noch Zeit.«
Ich dachte darüber nach. Verity war nicht geduldig gewesen. Sie hatte nicht gewusst, was Belohnungsaufschub bedeutete. Wenn sie Luc gewollt hätte, hätte sie die Zeremonie durchgeführt, bevor sie nach Hause zurückgekehrt war. Vielleicht hatte er mir die Wahrheit gesagt.
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