Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Vielleicht waren sie nicht zusammen gewesen, nicht richtig. Wenn ja, dann würde ich einen Teil von ihm bekommen, den Verity nicht gehabt hatte.
Die Schuldgefühle, die mich wie ein Anker heruntergezogen hatten, legten sich ein wenig.
» Was geschieht… danach?«
» Das hängt von uns ab. Eine Bindung zwingt einen nicht, etwas für jemanden zu empfinden. Sie vertieft nur das, was schon da ist.«
Oh, zur Hölle. Meine Gefühle für Luc, peinlich und furchterregend, wie sie waren, würden intensiver werden, und er… würde immer noch Verity wollen. Aber Evangeline hatte gesagt, dass ich in mein normales Leben zurückkehren konnte. Vielleicht würde ich wie die Soldaten sein, über die im History Channel berichtet wurde, die, deren Kriegswunden ihnen immer Beschwerden machten, wenn Regen aufzog. Vielleicht würde ich die Verbindung in mir tragen, Luc aber nur vermissen, wenn das Barometer fiel. In dem Fall konnte ich ja in die Wüste ziehen; dann würde ich nicht mehr an ihn denken.
Er ließ meine Finger los und umschloss mein Gesicht mit den Händen. » Es ist nicht schlimm, Angst zu haben. Aber es wird nicht funktionieren, wenn du nicht willst, wenn du nicht mit dem Herzen bei der Sache bist.«
Seine schiere Schönheit im Feuerschein überwältigte mich, seine bernsteinfarbene Haut, und dass es sich so absolut richtig anfühlte, wie seine Finger sich an mein Gesicht schmiegten. Ich konnte spüren, wie mein Puls sich beschleunigte und mein Atem schneller ging.
» Bist du mit dem Herzen dabei?«
Mein Herz… Die acht Millionen Stücke, in die es seit jener Nacht in dem Durchgang zerbrochen war, konnten nicht nein sagen. Ich nickte. Der Sturz würde mich vielleicht umbringen, aber ich konnte gar nicht anders, als zu springen.
Es war durchaus möglich, dass alles nicht in einer totalen Katastrophe enden würde. Es war nicht völlig undenkbar, dass ich für Verity einspringen, die Sturzflut verhindern, die Leute, die Veritys Tod befohlen hatten, finden, Luc dazu bringen konnte, mich zu lieben, und das alles überleben würde. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Natürlich wirkte » unwahrscheinlich«, als Evangeline erschien und noch herrischer und hochfahrender dreinsah als sonst, wie ein allzu beschönigender Ausdruck.
» Fühlen wir uns jetzt alle besser?«, fragte sie und strich sich über die völlig glatte Leinentunika, die sie trug.
Luc zog eine Augenbraue hoch. » Für dich ist es verdammt einfach, schnodderig zu sein– du bist schließlich nicht die, die sich der Zeremonie unterziehen muss.«
» In der Tat. Aber ich scheine die Einzige von uns zu sein, der bewusst ist, wie ernst die Lage ist.«
» Das ist Blödsinn«, sagte Luc leise in zornigem Ton. » Glaubst du etwa, dass du alles besser im Griff hast, weil du Matriarchin bist? Mouse und ich haben beide einen Preis dafür gezahlt, hier zu sein, und wir wissen, was auf dem Spiel steht.«
» Ich bin jetzt bereit«, sagte ich und hoffte, dass meine Stimme stärker klang, als ich mich fühlte.
» Wollen wir dann?«
Luc ergriff meine Hand, drückte sie aufmunternd und führte mich zu den Steinsäulen in der Mitte des Raums. Ihre oberen Enden verjüngten sich und liefen in Bögen aus, die in der Mitte zusammentrafen, um eine Kuppel zu bilden. Evangeline stand unmittelbar außerhalb der kunstvoll gemeißelten Säulen, während Luc mich unter die Kuppel führte und darauf achtete, dass keiner von uns das steinerne Bauwerk berührte. Das Surren ihrer Kraft ließ meinen Nacken kribbeln. Ich rückte davon ab.
» Hast du sie?«, sagte er zu Evangeline.
Zur Antwort breitete sie die Hände aus, und eine zarte Platinkette erschien. Sie bündelte die Enden in ihren Händen und sprach; ihre Stimme nahm einen förmlichen Tonfall an, beinahe einen Singsang. » Am Anfang gab es nur die Elemente: Erde, Luft, Feuer, Wasser. Völlig voneinander getrennt wüteten sie gegeneinander und stumpften so ihre Kraft ab. Als Bögen lernten, Kraft und Magie aus den Elementen zu ziehen, bestritten auch sie Kämpfe gegeneinander. Auf dem Höhepunkt des Krieges geschah das Undenkbare: Eine Tochter des Feuers verliebte sich in einen Sohn der Erde und er in sie. Sie verbargen ihre Liebe, weil sie wussten, dass solch ein Geheimnis ihre Häuser zugrunde richten würde. Da sie getrennt unglücklich waren, beschlossen sie, sich davonzustehlen, wurden aber gefasst. Der Patriarch des Mädchens forderte den Jungen zum Kampf. Bevor er den Jungen niederstrecken konnte, griff die
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