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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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eine der Linien herauf, die die Allée begrenzten. Feuer erwachte prasselnd zum Leben, und unsere Verbindung straffte sich. Ich schloss die Augen, tastete mich auf die wehklagende Energie zu und stählte mich für den Schock der Berührung. Ich rechnete damit zu spüren, wie Luc mich durch seine Gegenwart unterstützte, als ich mich hineinstürzte. Stattdessen drängte er sich an mir vorbei und verstellte mir den Weg.
    » Was tust du da?«
    Er antwortete nicht und biss sich vor Konzentration auf die Unterlippe, als er die Hand in die lodernde Linie streckte. Ich spürte, wie er auf unsere Verbindung zurückgriff und meine Energie in ihn strömte, als er die Magie mit von Krämpfen geschütteltem Körper in sich aufnahm.
    Jetzt wusste ich, was er jedes Mal durchmachte, wenn ich rohe Magie berührte. Ich sah entsetzt zu, als die Magie begann, ihn auseinanderzunehmen, um ihn neu zusammenzusetzen.
    » Luc! So soll es nicht sein!«
    Ich sollte es sein.
    Ich war diejenige, mit der sich die Magie verbunden hatte. Ich war diejenige, der die Prophezeiung galt. Er versuchte in dem fehlgeleiteten, ritterlichen Bemühen, mich gehen zu lassen, meinen Platz einzunehmen.
    Er war schweißüberströmt, und seine Haut spannte sich so straff über seinen Knochen, dass ich die Adern an seinen Schläfen hervortreten sah. Die Sehnen in seinem Hals spannten sich an, und ich konnte seinen Pulsschlag neben meinem eigenen spüren, als er rasend schnell das erträgliche Maß überschritt und mit jeder Sekunde hektischer und schwächer wurde.
    » Hör auf!« Er hatte das alles nicht gründlich durchdacht. Wann auch immer ich mit den Linien zu tun gehabt hatte, hatten seine Kräfte mich gestärkt. Er hatte angenommen, dass wir den Vorgang einfach umkehren würden, aber ich konnte ihm keine Magie spenden. Es würde niemals funktionieren.
    Ich riss an seiner Hand und versuchte, seinen Kontakt zu der Linie zu unterbrechen, aber mir fehlte die Kraft. Durch unsere Bindung spürte ich, wie die Magie hungrig nach mir griff, und hätte ihn beinahe losgelassen. Die Magie wollte Luc nicht. Sie würde sich durch ihn hindurchbrennen und nichts von ihm übrig lassen, um zu mir zu gelangen.
    Auf der anderen Seite der Bühne standen die Quartoren dicht aneinandergedrängt. Dominics Gesicht verriet seinen eigenen Hunger. Colin stand neben Marguerite und redete hastig auf sie ein. Er beschrieb ihr sicher den Anblick, und sie erklärte ihm, was er sah.
    » Colin! Hol Luc hier raus!«
    Er stellte keine Fragen und zögerte auch nicht. Er sprintete auf uns zu und stürzte sich geduckt auf Luc, so dass die Wucht des Aufpralls sie beide aus der flammenden Linie herausriss.
    Sie schlitterten über die Marmorbühne. Dominic rief etwas und packte Pascal am Arm, aber ich wartete nicht ab, um herauszufinden, was los war.
    Ich stürzte mich in die Magie hinein, und die anderen waren verschwunden.

Kapitel 43
    Folgendes weiß ich: Ich weiß, dass die Wahrheit etwas Unbarmherziges und Bitteres ist. Ich weiß, dass Liebe in so vielen Gestalten erscheint, wie es Menschen gibt, und nicht alle davon gut sind. Ich weiß, dass Geheimnisse Lügen sind, die man noch nicht erzählt hat. Ich weiß, dass jede Tat ihren Preis hat und dass die Annahme des eigenen Schicksals der erste Schritt zu seiner Erfüllung ist. Ich weiß, dass schon zu oft Menschen mein Leben mit ihrem eigenen erkauft haben. Irgendwann muss man einen solchen Gefallen erwidern.
    Sobald ich in die Magie getreten war, beschirmt durch nichts als meine Willenskraft, wusste ich noch etwas: Die Magie lebte.
    Sie war schon die ganze Zeit über lebendig, ich hatte es nur bisher nicht erkannt. Was ich für Gier gehalten hatte, war Einsamkeit, eine Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, und ihr Toben war Panik, die in Gewalt ausgeartet war. Die Magie hatte niemanden, mit dem sie sprechen oder den sie um Hilfe bitten konnte. Und jetzt hatte sie mich, was mir wie die grausamste Ironie überhaupt vorkam. Die Magie brauchte eine Stimme, und sie hatte sich ein Mädchen ausgesucht, das sein ganzes Leben lang Angst davor gehabt hatte, den Mund aufzumachen.
    Im Biologieunterricht lernt man, wie Zellen funktionieren. Man lernt alles über die Zellmembran, das Zytoplasma und den Nucleolus, über all die miteinander verbundenen Abläufe auf mikroskopischer Ebene, die das Leben ermöglichen. Aber sie sind nur Bildbeschriftungen, die bedeutungslos bleiben, bis man sie Stück für Stück auseinandernimmt, und genau das tat die Magie nun mit mir. Als

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