Der Weg in Die Schatten
anstatt mal eben schnell in den Hochgeschwindigkeitszug zu springen, sich sicherlich nichts aus Geld machte und lieber stilvoll reisen wollte.
Stilvoll reisen, das taten sie wahrhaftig! Der Eingang der Graf Zeeland wirkte auf mich wie das Innere eines Museums vor mehr als hundertfünfzig Jahren. Die Wände prangten im Luxus einer bemalten Eichenholzvertäfelung. Die Bodenstücke waren von Meisterhandwerkern zugeschnitten und eingepaßt worden, so daß die Maserung konzentrische Kreise und Blumenmuster ergab. Geländer und Armaturen bestanden samt und sonders aus Messing, alle Fenster aus geätztem Glas und alle Kronleuchter aus Kristall.
Der Yakuza führte uns in ein kleines Vorzimmer, wo man uns aufforderte, die Schuhe auszuziehen ‐ zumindest Raven und mich. Der Yak tastete uns ab und reichte dann jedem von uns ein weißes Seidengewand, das auf dem Rücken mit einem grünen Reiher bestickt war. Wir zogen alle die Jacken aus, um dem Kimono Platz zu machen, und Raven befestigte sorgfältig die Vorhangnadel daran. Zum Schluß präsentierte der Yakuza uns Pantoffeln ‐ was mir nur recht war, da ich meine Wandersocken nicht anhatte ‐ und lud uns erneut ein, ihm zu folgen.
Wir gingen einen Innenkorridor entlang, der, wie ich vermutete, die Mittellinie des Oberdecks der Graf Zeeland bildete.
Alles hier war so schön, daß ich es am liebsten angefaßt hätte, um mich von seiner Echtheit zu überzeugen, aber ich verkniff es mir.
Ich blickte zu Stealth zurück. »Ich würde so gern mal mit einem Zeppelin fahren!«
Stealth ruckte wissend. »Es ist wirklich sehr erholsam.«
Ich blieb stehen. »Warst du mal auf einem ‐ ich meine, eine ganze Fahrt?«
»Nach Osten und wieder zurück.«
Einmaliger Stealth! Er erwähnte mit keinem Wort, wo er gestartet und wohin er gereist war oder warum er die Reise überhaupt unternommen hatte. Und wenn man Stealth kannte, wußte man, daß alle Details dieser Reise irgendwo in einer Polizeiakte unter der Rubrik ›Mordfall ‐ ungelöst‹
standen.
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. »Das muß ein Vermögen gekostet haben.«
Die Mordmaschine zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.
Ich hab die Rechnung nicht bezahlt.«
Unser Führer ging um eine Ecke, hinter der eine andere Sektion der Graf Zeeland auf uns wartete. Das Dekor wechselte von zaristischer Pracht zu imperialer Eleganz.
Lichtdurchlässige Shoji‐Tafeln verbreiteten eine warme Atmosphäre in dem engen Gang, den wir jetzt durchschritten.
Obwohl die Wände aus Papier und Holz ausgesprochen dünn waren, sorgten in die Decke eingesetzte Rauschgeneratoren dafür, daß die Gespräche der Silhouetten, an denen wir vorbeikamen, übertönt wurden.
Der Yak klopfte sachte an die Fußleiste einer Schiebetür und öffnete diese dann für uns. Raven kniete auf der Kante der erhobenen Bodenplattform nieder, verneigte sich vor den Leuten in dem Raum und stemmte sich dann hinein, ohne sich aus der Hockstellung zu erheben. Ich tat mein Bestes, um ihn perfekt zu imitieren, und ging dabei sogar soweit, die Nase auf die Tatami‐Matte zu drücken, ehe ich linker Hand hineinrutschte und hinter Raven Position bezog. Stealth brachte es fertig, sich zu verneigen und niederzuknien, ohne im fertig, sich zu verneigen und niederzuknien, ohne im mindesten einen linkischen Eindruck zu machen. Dann setzte er sich Raven gegenüber, so daß er mit diesem und dem Oyabun ein Dreieck bildete.
Der Oyabun Hidiki Yamamoto beeindruckte mich mit seiner gefestigten Gelassenheit. Er trug einen grauen Kimono, der auf beiden Brustseiten und Oberarmen mit dem konzentrischen Kästchen‐ und X‐Muster geschmückt war. Auf dem rechten Arm, dicht über dem Handgelenk, erblickte ich die Spur einer Tätowierung, aber er zog anscheinend vor, sie zu verdecken.
Obwohl Raven gesagt hatte, daß Yamamoto vor dem Erwachen geboren war, konnte ich keine graue Strähne in seinem kurzgeschorenen Haar entdecken, und abgesehen von einer gut verheilten Narbe auf der linken Wange deutete nichts im Gesicht auf sein Alter hin.
Unsere Blicke begegneten sich nur für eine kurze, prickelnde Sekunde. Zuerst konnte ich in seinen Augen überhaupt nichts erkennen, aber dann kam ich mir auf einmal nackt vor, ja fast so, als wurde mein Inneres nach außen gekehrt. Ich hörte den Alten leise knurren, und in diesem Fall war ich vollkommen einverstanden mit seiner Vorsicht diesem Yakuza‐Führer gegenüber. Die Widerspiegelung des Kobe‐Brandes in seinen ausdruckslosen schwarzen Augen
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