Der Weg in Die Schatten
und Spelunke warten Raubtiere, meist in Menschengestalt. Ein Großteil der Leute, die hier leben, existieren nicht einmal, jedenfalls nicht im legalen Wortsinn. Man kann einen Mord für zwanzig Nuyen, für einen Drink oder sogar umsonst kaufen. Es gibt immer Verrückte, die nur aus Spaß an der Freude töten. Die einzigen Gesetze, die hier gelten, sind diejenigen, die den nächtlichen Kampf ums Überleben regieren. Die Schnellen, die Starken, die Gewieften ‐ sie haben die besten Aussichten. Die Schwachen und die Ängstlichen, die Überzivilisierten, jene, die dem Leben zu viel Wert beimessen, ihre Chancen sind dünn bis null.
Indem er sich in der Zone versteckt, hat dieser Ork etwas unglaublich Dummes getan, weil die Zone ein Teil Seattles ist, in der Tikki so ungehindert jagen kann wie eine Tigerin im Dschungel. Sie braucht sich keine wie auch immer geartete Zurückhaltung aufzuerlegen.
Drei Nächte lang tobt sie sich aus. Rasch macht die Neuigkeit die Runde: Striper ist hinter jemandem her. Geht ihr aus dem Weg. Sie trägt ihre Gesichtsbemalung und die Lederklamotten, und Leute, die ihr mißfallen, kommen leicht zu Schaden. Selbst die ungestümen Jugendbanden mit ihren geschmuggelten AK97s und Splittergranaten weichen ihr aus, wenn sie sie kommen sehen. Sie will Slash finden und ist bereit, alles zu tun, um das zu bekommen, was sie will. Sie legt einem Mann eine Drahtgarotte um den Hals und schleift ihn zwecks eingehender Befragung in den Keller eines Hauses. Sie fängt einen anderen vor einer namenlosen Bar ab und wirft ihn gegen die Mauer. Einen weiteren bedroht sie mit dem Messer, und wieder einem anderen stellt sie einen Fall von einem fünfstöckigen Gebäude in Aussicht. Die Taktiken der Einschüchterung sind ihr vertraut, und sie ist darin äußerst bewandert. Niemand widersetzt sich ihr.
Ihre Jagd endet im Ghulgebiet. Vielleicht muß Tikki Slash letzten Endes doch noch Lob zollen. Dieser Teil der Zone ist weitgehend verlassen, die Gebäude sind Tag und Nacht leer, weil sich die Leute vor diesem Ort fürchten. Die Ghule, die hier hausen, sind Aasfresser, die alles und jeden fressen, das Fleisch ihrer eigenen Rasse und das verwesende Fleisch der Toten eingeschlossen. Sie stinken abscheulich. In einigen Gegenden wird gemunkelt, daß die Ghule in Wirklichkeit ins Leben zurückgekehrte Tote sind, aber Tikki hält das für Quatsch. Totes riecht auch tot und steht nicht auf und läuft herum. Ghule sind lediglich eine besonders widerwärtige Tierform, genau wie manche Menschen. Ghule werden wegen ihrer ekelhaften Angewohnheiten verachtet und sind Außenseiter. Sie haben außerdem einen empfindlichen Geruchssinn und erkennen ein mächtiges Raubtier, wenn ihnen eins über den Weg läuft.
Sie kommen ihr nicht in die Quere.
Ihren Informationen zufolge versteckt sich dieser Slash in Begleitung irgendeiner Frau in der Nähe der alten Chemiefabrik. Ein leerstehendes Fabrikgebäude grenzt direkt an den Komplex. Tikki sucht sich einen Weg durch Häuserschutt und Abfall und betritt die Fabrik durch eine Hintertür. Sie ist absolut sicher, auf der richtigen Fährte zu sein. Es riecht nach Essen, Schweiß und Exkrementen.
Außerdem hört sie etwas, das sie an die Geräusche sich paarender Tiere erinnert und ihr ein Lächeln entlockt.
Orks geben wunderbare Beute ab. Sie sind so impulsiv, daß sie alles um sich herum vergessen können und idiotische Dinge tun. Echte Jäger nutzen die Fehler anderer Lebewesen immer aus. Das liegt in der Natur der Dinge.
Als sie in den Eingang zu dem kleinen Kellerraum in der Nähe der Hochöfen tritt, sind Slash und seine Partnerin nackt und führen sich auf, als seien beide ziemlich heiß. Das Zuschauen ist interessant. Ihr gemeinsames Ziel scheint die Entleibung des Weibchens zu sein. Als sie immer schneller ficken und schließlich den Augenblick höchster Lust erreichen, tritt Tikki hinter sie und drückt Slash den Lauf einer Konoco Combat Master, einer halbautomatischen Schrotflinte, in den Nacken.
»Sei ganz vorsichtig!«
Slash erstarrt, aber er kann nicht verhindern, daß seine Lenden sich im Orgasmus spasmisch krümmen. Die Orkfrau unter ihm schluckt keuchend und sieht ihren Liebhaber an.
»Striper.«
»Genau«, sagt Tikki.
Jeder, der den Namen hört und einen Gewehrlauf am Hinterkopf spürt, weiß genau, wie er sich zu verhalten hat.
Sie muß es nicht erst erklären. Statt dessen hat sie ein kleines Präsent für sie ‐ zwei
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