Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Weisman
Vom Netzwerk:
Handschellen aus rostfreiem Stahl. Mittels dieser Handschellen werden beide an eine der kleineren Rohrleitungen an der Wand im hinteren Teil des Raumes gefesselt. Ein wildes Tier würde sich möglicherweise selbst eine Hand abbeißen, um sich zu befreien, aber diesen beiden fehlt sowohl die Entschlossenheit als auch die Selbstbeherrschung dazu. Slash kauert da mit feuchtem erschlafftem Schwanz und fleht um Gnade. Das Weibchen bettelt und schluchzt.
    »Wer hat dich auf Hogan angesetzt?«
    »Prince!« ruft das Weibchen. »Prince war es! Alles war seine Idee! Stimmt’s nicht, Slash? Stimmt’s nicht?«
    Slash pflichtet ihr bei.
    Es ist richtig nett, zur Abwechslung mal was Definitives zu hören, eine Geschichte durch eine andere bestätigt zu finden.

    Auf dem Fußboden liegt eine tarnfarbene Tasche von der Größe eines kleinen Rucksacks. Darin befindet sich ein flaches, rechteckiges Plastikkästchen, etwa von der Größe eines Trideobandes. Darauf steht in fetten Rotbuchstaben: Datenspeichermodul. Es gibt noch eine Fußnote, die erklärt, daß der Inhalt durch extreme Hitze oder Kälte beschädigt werden kann. Tikki läßt das Päckchen in eine Tasche ihres Trenchcoats gleiten und staunt dann einen Moment lang darüber. Das Ding ist tatsächlich viel kleiner, als sie es sich trotz Castillanos Beschreibung vorgestellt hat.
    Jetzt stört sie nur noch die Frage, was sie damit anfangen soll. Vielleicht könnte sie es einfach zurückgeben? Nein, das ist ein dummer Gedanke. Nichts auf der Welt kann so einfach sein. 
    The Squid lebt im dritten Stock einer Fabrik mit Blick auf den Schrottplatz der Polizei von Seattle in Redmond. Nicht unbedingt eine feine Gegend. Squid öffnet die Tür niemals, weder jetzt noch in Zukunft. Das ist eine Aufgabe für seine Lebensgefährtin Giselle. Giselle ist eine Zwergenfrau, kleiner als der durchschnittliche Orientale, aber großknochig und breit. Tikki kommt sie nicht unattraktiv vor, nur anders. Sie öffnet die Tür und streicht sich einen Urwald kunstvoll geflochtener blonder Zöpfe aus dem Gesicht, die den Glanz eines Überflusses goldener und silberner Juwelen ausstrahlen. »Ach, Striper«, sagt Giselle.
    »Ich muß Squid sprechen.«
    Giselle nickt. »Er hat heute abend ziemlich viel zu tun.«
    Tikki überreicht ihr einen Kredstab über fünfhundert Nuyen.
    Giselle lächelt und nickt, bedeutet Tikki einzutreten.
    »Vielleicht doch nicht so viel. Wir gehen mal nachsehen.«
    Squid ist das Urbild eines Console‐Jockeys, ein Geist in der Matrix, wahrscheinlich der beste Decker in Seattle. Das einzige, woran ihm wirklich etwas liegt, ist, Sicherheitscodes zu knacken, in Systeme einzudringen und anderer Leute Daten zu klauen. Um ihn zu einem Run zu bewegen oder zu einer Erkundigung, muß man lediglich Giselle genug zahlen, dann tritt sie als Vermittler auf. Giselle mag nichts über Computer wissen, aber was das Geschäftliche anbelangt, kennt sie sich aus. Neulinge zahlen Höchstpreise.
    Stammkunden kriegen Rabatt. Leute, die Giselle kennt und gut leiden kann, zahlen nur den Grundtarif, und es gibt später auch kein Feilschen über zusätzliche Gebühren.
    Squid ist in seinem Zimmer und sitzt wie gewöhnlich inmitten einer Masse von Modems, Tastaturen, Displays, grafischen Analysegeräten, vielleicht einer Million einzelner Anzeigen und mehrerer anderer klobiger Gegenstände. Es wimmelt von Drähten und Kabeln. Er ist ein seltsam aussehendes Exemplar der Gattung Mensch ‐ dunkel, klein und untersetzt. Sein Geruch ist eindeutig der eines Menschen, aber sein Körperbau erinnert eher an einen Zwerg. Sein Haar ist wie das von Giselle zu zahllosen Zöpfen geflochten.
    Als er Tikki erblickt, sind seine ersten Worte: »Wo ist dein Gesicht?«
    »Hab ich zu Hause gelassen.« Sie ist inkognito unterwegs.
    Ihre Haare sind wieder braun und mit ein paar blonden Strähnen durchsetzt. Ihr Gesicht ist mit Ausnahme von etwas Rouge ungeschminkt. Sie sieht aus wie eine ganz gewöhnliche Frau, abgesehen vielleicht von einer gewissen Härte um die Augen. Sie zieht den Datenpack aus der Tasche. »Ich will wissen, was das ist.«
    Squid nimmt das Ding in die Hand und betrachtet es. »Es ist ein RSU Modell 12‐Massenspeicherkern. Ziemlich gewöhnlich.«
    Tikki schüttelt den Kopf. »Nein, ich meine, was ist drauf?«
    Squid ist die Nüchternheit in Person. »Mal eben checken.«
    Sobald er sich eingestöpselt hat, bleibt nichts zu tun, als abzuwarten und Tee zu trinken. Tikki setzt sich

Weitere Kostenlose Bücher