Der Weg in Die Schatten
auf die Polsterbank neben der Tür. Giselle schaltet das kleine Sony-Trid an, das an der Wand hängt, und setzt sich dann neben Tikki auf die Bank, kommt ihr aber nicht zu nahe. Tikki verfolgt mit einem Auge den Trid‐Schirm, das andere ruht auf Giselle mit all ihrem Silberschmuck. Silber gehört natürlich nicht unbedingt zu ihren Lieblingsmaterialien.
Es vergeht einige Zeit, bis Squid das Kabel aus seinem Nacken zieht und sich in seinem Stuhl ihr zuwendet.
»Das ist ein Bericht über ein genetisches Hochleistungsforschungsprojekt von einem Konzern namens BioDynamics. Projekt Meta. Eine Masse Formeln und Zeichnungen.«
»Worum geht es dabei?« fragt Tikki.
»Tja, die Idee, die dahintersteckt, ist wohl die, eine neue Subspezies Mensch zu schaffen. Irgendwas, das ›Uruk‐hai‹
genannt wird. Die Spezies soll physisch überlegen sein. Eine Art Superrasse.«
»Und, hat es geklappt?« fragt Giselle.
»Glaub schon«, sagt Squid. Er scheint jedoch nicht absolut sicher zu sein. »Auf der Datei fehlt ziemlich viel. Einfach gelöscht, Was ich wiederherstellen konnte, war ziemlich verstümmelt. Höhere Mathematik. Chemische Formeln.«
Das ist ja alles gut und schön, aber was bedeutet es? »Willst du damit sagen, daß die Datei unvollständig ist?« fragt Tikki.
Squid nickt.
Warum sollte jemand einen Teil der Datei löschen? Eine unvollständige Datei ist ungefähr so nützlich wie ein Kropf.
»Das ist doch Blödsinn.«
Squid und Giselle sehen sie einfach nur an.
Es ergibt keinen Sinn, daß dieser Dominick Preise eine unvollständige Datei gestohlen haben soll. Ein derartig unlogisches Vorgehen läßt darauf schließen, daß man dem äußeren Schein nicht trauen darf. Vielleicht hat Preise nicht gewußt, daß die Datei unvollständig war. Möglicherweise ist dieser Preise genauso reingelegt worden wie Hogan. Es kann sogar sein, daß er den Datenpack überhaupt nicht gestohlen hat, sondern sein Tod befohlen wurde, und der Pack Hogan dann von irgend jemandem ausgehändigt worden ist, der sich für Preise ausgegeben hat. Erst jetzt wird ihr klar, daß sie Hogan in bezug auf die Übergabe nicht sonderlich eingehend befragt hat. Nach allem, was sie weiß, kann Hogan den Pack durchaus von einer Person bekommen haben, die überhaupt nichts mit Preise zu tun hat.
»Wer hatte Zugang zu dieser Datei?« fragt sie Squid.
»Personen, die Daten löschen konnten? Wie lauten ihre Namen?«
Squid macht sich an einer Tastatur zu schaffen. Eins der Konsolendisplays blinkt und blinkt, als endlose Reihen LED-Daten zeilenweise nach oben springen. »Drei Personen haben die Zugangscodes: Dominick Preise, Projektleiter. Emon Kuze, stellvertretender Leiter, Bernard Ohara, Projektüberwachung.«
»Erzähl mir was über Kuze und Ohara.«
Squid muß sich wieder einstöpseln, um dieser Aufforderung nachzukommen, aber nach ein paar Minuten fängt er an, ihr alles mögliche über Emon Kuze zu erzählen. Vor ungefähr drei Monaten, lange bevor sie den Preise‐Kontrakt angenommen hat, ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das scheint ihn aus dem Puzzle zu eliminieren.
»Ohara ist ‘n hohes Tier bei Seretech«, fährt Squid fort.
»Vizepräsident der Forschungsabteilung. Hat die Oberaufsicht über Projekt Meta.«
»Was hat denn Seretech damit zu tun?«
»BioDynamics ist eine Tochtergesellschaft von Seretech.«
Darüber denkt Tikki erst einmal nach. Die Konzernseite der menschlichen Gesellschaft verwirrt sie immer, vielleicht ihre größte Schwäche. Menschen gehen in ihre Bürogebäude und kommen irgendwann wieder heraus. Manchmal wartet sie dort auf sie. Das kann sie am besten. Der Rest ist wie ein Verdacht, eine Witterung, die ihr von einer Brise zugetragen wird und sie mit feinen Beutedüften verhöhnt, die so flüchtig sind wie Schatten. »Was willst du damit sagen? Daß BioDynamics Seretech gehört und folglich dieser Ohara, der bei einem Konzern Vizepräsident ist, beeinflussen kann, was beim anderen läuft?«
Squid und Giselle nicken beide.
»Was kannst du mir über Ohara erzählen?«
Squid arbeitet wieder mit einer Tastatur. »Abschluß an der Universität Tokio und der Wirtschaftsschule in Harvard.
Gehörte zu den besten zehn Prozent seiner Klasse. Ist dann sofort zu Orinoco International gegangen, ‘n ziemlich großer Konzern, und dann ziemlich schnell die Erfolgsleiter hochgeklettert. Größere Gehälter, größere Firmen, immer höhere Positionen. Den Medien zufolge ist er so etwas wie ein Intrigant.
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