Der Weg in Die Schatten
anzuhören?«, fragte Agon.
»Es kommt mir so vor, als hätten wir dieses Gespräch schon einmal geführt«, sagte Blint. »Meine Antwort bleibt dieselbe. Ich bin nur aufgetaucht, weil ich Euer lächelndes Gesicht vermisse, Lordgeneral. Und um Euch zu zeigen, dass Eure - lasst uns ehrlich sein - ziemlich jämmerlichen Schutzvorkehrungen mich nach wie vor nicht fernhalten können, solltet Ihr Euch dafür entscheiden zu versuchen, mir das Leben schwerzumachen.«
»Ihr habt Euch nicht einmal angehört, worin der Auftrag besteht. Der König respektiert Eure Talente jetzt. Er wird Euch besser bezahlen, als Ihr jemals bezahlt worden seid. Er wünscht, dass Ihr -«
»Sein Leben schützt. Ich weiß. Hu Gibbet hat einen Auftrag auf seinen Kopf angenommen.« Durzo ignorierte Agons erschütterte Miene. »Tut mir leid. Ich werde den Auftrag nicht übernehmen. Ich würde niemals einen Auftrag für diesen elenden Sack Wind übernehmen. Lasst uns ehrlich sein. Aleine Gunder, der sich lächerlicherweise ›der Neunte‹ nennt, als stünde er irgendwie in Verbindung zu den vorangegangenen acht Königen, die den Namen Aleine trugen, ist eine Verschwendung von Haut.«
Jemand stürmte hinter Agon unter der hohen Statue von Herzog Gunder hervor. Agons Herz verkrampfte sich, als er den Gang des Mannes erkannte.
Aleine Gunder IX. warf seine Kapuze zurück. »Wachen! Wachen!«
Bogen- und Armbrustschützen sprangen von jedem Balkon, jedem Busch und jedem Schatten in Sichtweite herbei. Andere kamen vom Rand des Gartens angelaufen.
»Mein Lehnsherr. Was für eine Überraschung«, sagte Blint mit einer perfekten, höfischen Verneigung. »Wer hätte erwartet, dass Ihr Euch im Schatten Eures Vaters versteckt?«
»Du beschissener... beschissener... Scheißkerl!«, brüllte der König. »Was tut ihr?«, schrie er seine Wachen an. »Umstellt ihn!« Die Wachen umstellten Durzo, Agon und den König in einem engen Kreis. Sie wirkten nervös, weil der König einem Blutjungen so nahe war, aber keiner von ihnen wagte es, den Zorn des Königs zu erregen, indem er die beiden mit Gewalt trennte.
»Euer Majestät«, sagte Agon und trat vor den König hin, bevor der Mann versuchte, Durzo Blint zu schlagen. Versuchte, Durzo Blint zu schlagen!
»Du wirst für mich arbeiten, Attentäter«, erklärte der König.
»Nein. Ich habe es schon einmal gesagt, aber vielleicht müsst Ihr es persönlich hören. Ich bin bereit, Euch zu töten, aber ich werde nicht für Euch töten.«
Das gefiel den Wachen natürlich gar nicht, doch Agon hob die Hand. Jetzt, da die Wachen so nah waren, waren die Bogenschützen nutzlos. Genial, Euer Majestät. Wenn es zu Blutvergießen kam, würden sowohl er als auch der König sterben, und er würde darauf wetten, dass Blint nicht starb.
»Also schön«, sagte der König.
»Also schön.« Blint lächelte freudlos.
Der König lächelte zurück. »Wir werden Eure Tochter töten.«
»Meine was?«
Das Lächeln des Königs wurde breiter. »Überprüfe es selbst.« Er lachte.
Eine gefährliche Sekunde dehnte sich in die Länge, und Agon fragte sich, ob er gleich einen toten König in den Armen halten würde. Dann nahm er nur noch einen Wirbel von Bewegung
wahr. Obwohl er ihn direkt ansah, bewegte Durzo Blint sich zu schnell, als dass er ihm mit Blicken hätte folgen können. Er sprang über den Kreis von Soldaten, packte eine Statue und änderte seine Flugbahn.
Einen Moment später hörte man ein Rascheln an der Seite der Burgmauer, ähnlich dem Kratzen von Katzenkrallen, wenn ein Tier einen Baum hinauf kletterte.
Erschrocken feuerte einer der Soldaten seine Armbrust ab - glücklicherweise war sie in die Luft gerichtet. Agon warf dem Mann einen scharfen Blick zu.
Der Mann schluckte. »Tut mir leid, Herr.«
Der König ging hinein, und nur eine Minute später begriff Agon, dass Durzo ihn um ein Haar dazu gebracht hätte, vor dem König Hochverrat zu begehen.
Kylar spürte einen Luftzug, als jemand die Vordertür des sicheren Hauses öffnete. Er hob den Blick von dem Buch vor ihm und griff nach dem kurzen Schwert, das nackt auf dem Tisch lag.
Von seinem Stuhl aus hatte er die Tür natürlich perfekt im Blick. Master Blint hätte sein Arbeitszimmer nie anders eingerichtet. Aber allein das Geräusch verriet ihm, dass es Master Blint war: Klick-KLICK-Klick. Klick-KLICK-Klick. Klick-KLICK-Klick. Master Blint schloss stets jedes Schloss zu, wieder auf und noch einmal zu. Es war eine der vielen abergläubischen Vorstellungen,
Weitere Kostenlose Bücher