Der Weg in Die Schatten
Adliger, der eine Frau aus dem gemeinen Volk heiratet?«
»Wir sagen ja nicht, dass du ihn heiraten sollst. Lass ihn uns einfach zu dem Fest einladen.«
»Nein«, erklärte Elene. »Ich verbiete es.«
»Elene...«
»Das ist mein letztes Wort.« Elene sah die Mädchen an, bis beide widerstrebend zustimmten. »Aber«, fügte sie hinzu, »ihr könntet mir ein wenig mehr über ihn erzählen.«
»Kylar«, rief Graf Drake, als Kylar versuchte, sich an seiner Amtsstube vorbeizuschleichen, um die Treppe hinaufzugehen. »Würdest du einen Moment hereinkommen?«
Natürlich blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Kylar fluchte innerlich. Dieser Tag würde sehr lang werden. Er hatte gehofft, einige Stunden Schlaf zu bekommen, bevor er für Master Blint die Dinge tat, die vor dem Morgengrauen erledigt werden mussten. Er hatte eine gute Vorstellung davon, worum es hierbei gehen würde, und als er in die Amtsstube des Grafen trat, hatte er alle Mühe, sich nicht wie ein Junge zu fühlen, dessen Vater ihm gleich etwas über Sex erzählen würde.
Der Graf war von den Jahren unberührt geblieben. Selbst wenn er hundert wurde, würde er noch wie vierzig aussehen. Sein Schreibpult stand an derselben Stelle, seine Kleider hatten den gleichen Schnitt und die gleiche Farbe, und wenn er sich
einem schwierigen Gesprächsthema widmete, rieb er sich noch immer den Nasenrücken, wo sein Kneifer saß.
»Hast du mit meiner Tochter geschlafen?«, fragte der Graf.
Kylar klappte der Unterkiefer herunter. So viel zum Thema. Der Graf musterte ihn mit ausdrucksloser Miene.
»Ich habe sie mit keinem Finger berührt, Herr.«
»Ich habe nicht nach deinen Fingern gefragt.«
Kylar riss die Augen auf. Dies war der Mann, der so oft über den Gott sprach, wie die meisten Bauern über das Wetter sprachen?
»Nein, mach dir keine Sorgen, Sohn. Ich glaube dir. Obwohl ich argwöhne, dass es nicht an einem Mangel an Bemühungen von Seiten Serahs gelegen hat.«
Das Blut, das in Kylars Wangen schoss, war Antwort genug.
»Liebt sie dich, Kylar?«
Er schüttelte den Kopf, beinahe erleichtert, dass ihm eine Frage gestellt wurde, die er beantworten konnte. »Ich denke, Serah will, wovon sie glaubt, dass sie es nicht haben kann, Herr.«
»Gehört dazu auch der Sex mit zahlreichen jungen Männern, von denen keiner Logan ist?«
Kylar geriet ins Stottern: »Ich glaube kaum, dass es recht oder ehrenhaft wäre, wenn ich...«
Der Graf hob gequält die Hand. »Was nicht die Antwort ist, die du gegeben hättest, wenn du den Vorwurf für unzutreffend hieltest. Dann hättest du energisch protestiert und gesagt, dass es deiner Meinung nach nicht recht oder ehrenhaft von mir wäre, diese Frage zu stellen. Und du hättest recht gehabt.« Er rieb sich den Nasenrücken und blinzelte. »Es tut mir leid, Kylar. Das war nicht fair von mir. Manchmal benutze ich noch immer den Verstand, den der Gott mir gegeben hat, auf unehrenhafte Weise. Ich versuche zu tun, was recht ist, ganz gleich, ob das zu
dem passt, was die Menschen ehrenhaft nennen. Denn das ist durchaus nicht dasselbe, weißt du?«
Kylar zuckte die Achseln, aber es war auch keine Antwort vonnöten.
»Ich bin nicht daran interessiert, mein kleines Mädchen zu verurteilen, Kylar«, fuhr der Graf fort. »Ich habe in meinem Leben viel schlimmere Dinge getan, als sie sich jemals erträumen wird. Aber hier steht mehr auf dem Spiel als ihr Glück. Weiß Logan von ihren... Indiskretionen?«
»Ich habe sie gebeten, es ihm zu sagen, aber ich glaube nicht, dass sie es getan hat, Herr.«
»Weißt du, dass Logan mich um Erlaubnis gebeten hat, Serah heiraten zu dürfen?«
»Ja, Herr.«
»Soll ich ihm meinen Segen geben?«
»Ihr könntet auf keinen besseren Sohn hoffen.«
»Für meine Familie wäre es wunderbar. Ist es das Richtige für Logan?«
Kylar zögerte. »Er glaubt sie zu lieben«, sagte er schließlich.
»Er will meine Antwort binnen zweier Tage«, erklärte der Graf. »Wenn er einundzwanzig wird, übernimmt er den Gyre-Haushalt und wird zu einem der reichsten und mächtigsten Männer im Reich, selbst wenn man bedenkt, wie der König sich während des letzten Jahrzehnts in die Belange seines Hauses eingemischt hat. Der Sechste in der Thronfolge. Der Erste hinter den Mitgliedern der königlichen Familie. Die Menschen werden sagen, er heirate unter seinem Stand. Sie werden sagen, sie sei seiner nicht würdig.« Der Graf wandte den Blick ab. »Im Allgemeinen schert es mich nicht im Mindesten, was
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