Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
ertragen zu beichten, dass sie die Tinte mit ihren eigenen Tränen verwischt hatte. »Ich habe ihm geschrieben, dass ich ihn Kylar nennen würde, weil Kylar nett ist und ich den Namen meines Gönners nie in Erfahrung gebracht habe.«
    »Und jetzt magst du Kylar... mit dem du ebenfalls noch nie geredet hast.«
    »Ich bin ein vollkommen hoffnungsloser Fall. Warum erlaube ich es euch, mit mir über Jungen zu reden?«, bemerkte Elene.
    »Ilena kann nicht anders, sie muss über Kylar reden«, sagte Mags mit dem Gehabe einer großen Schwester, die im Begriff war, ihren höheren Rang ins Spiel zu bringen. »Weil sie nämlich selbst in ihn verliebt ist.«
    »Bin ich nicht!«, kreischte Ilena.
    »Warum schreibst du es dann in dein Tagebuch?«, fragte Mags. Dann veränderte sie ihren Tonfall und äffte Ilenas
Stimme nach. »›Warum will Kylar nicht öfter mit mir reden?‹ - ›Kylar hat heute beim Frühstück mit mir geredet. Er hat gesagt, ich sei süß. Ist das gut, oder sieht er mich immer noch als ein kleines Mädchen?‹ Es ist ekelhaft, Ilena. Er ist praktisch unser Bruder.«
    »Du Hexe!«, schrie Ilena. Sie sprang über den Tisch und griff Mags an. Mags schrie, und Elene verfolgte das Geschehen, erstarrt zwischen Entsetzen und Gelächter.
    Die Mädchen schrien, Ilena zog Mags an den Haaren, und Mags wehrte sich. Elene stand auf und dachte, dass sie die beiden wohl besser trennen sollte, bevor jemand verletzt wurde.
    Die Tür krachte so heftig auf, dass es sie beinahe aus den Angeln riss, und Kylar stand da, das Schwert in der Hand. Binnen eines Wimpernschlags veränderte sich die gesamte Atmosphäre im Raum. Kylar verströmte eine mit Händen greif bare Aura von Gefahr und Macht. Er war die fleischgewordene Männlichkeit. Seine Aura überspülte Elene wie eine Welle, die sie von den Füßen zu reißen drohte. Sie konnte kaum atmen.
    Kylar kam in gebückter Haltung ins Zimmer, seine Bewegung eher ein Gleiten als ein Schreiten, das nackte Schwert mit beiden Händen erhoben. Sein Blick registrierte alles gleichzeitig, flackerte zu jedem Ausgang, zu jedem Fenster, zu Schatten und sogar in die Ecken der Decke. Die Mädchen auf dem Boden hielten inne; Ilena umklammerte noch immer eine Handvoll von Mags Haar, und beiden stand das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben.
    Seine hellen blauen Augen kamen ihr so vertraut vor. Waren es nur Elenes Fantasien, die ein Aufflackern von Wiedererkennen in diese Augen hineindeuteten? Sein Blick berührte ihren, und sie spürte, wie ein Kribbeln ihren Rücken hinauflief. Er sah sie an - sie, nicht ihre Narben. Männer wandten den Blick stets
von ihren Narben ab. Kylar sah Elene. Sie wollte etwas sagen, aber da waren keine Worte.
    Er öffnete den Mund, als sei auch er drauf und dran zu sprechen, aber dann wurde er so weiß wie ein Laken. Sein Schwert schoss zurück in die Scheide, und er drehte sich um. »Meine Damen, ich bitte um Vergebung«, sagte er und zog den Kopf ein. Dann war er fort.
    »Guter Gott«, murmelte Mags. »Habt ihr das gesehen?«
    »Es war beängstigend«, sagte Ilena, »und...«
    »Berauschend«, sagte Elene. Ihr Gesicht fühlte sich heiß an. Sie wandte sich ab, während die Mädchen aufstanden. Dann setzte sie sich hin und griff nach der Feder. Als ob sie jetzt schreiben könnte.
    »Elene, was geht da vor?«, fragte Mags.
    »Als er mein Gesicht betrachtete, sah er aus wie der wandelnde Tod«, antwortete Elene. Warum? Er hatte ihre Narben kaum betrachtet. Die waren es, die die meisten Jungen verschreckten.
    »Er wird sich schon wieder erholen. Du bist ein Engel. Gib ihm eine Chance. Wir werden ihn für dich zu der Feier einladen«, sagte Ilena.
    »Nein. Nein, ich verbiete es. Er ist ein Baronet, Ilena.«
    »Ein armer Baronet, dessen Ländereien von den Lae’knaught gestohlen wurden.«
    »Er ist nur ein weiterer unerreichbarer Mann. Ich komme schon darüber hinweg.«
    »Er braucht nicht unerreichbar zu sein. Wenn er dem Glauben beitritt... in den Augen des Gottes sind alle Menschen gleich.«
    »Oh, Lena, lass diesen Köder nicht vor mir baumeln. Ich bin eine Dienstmagd. Eine von Narben gezeichnete Dienstmagd. Es spielt keine Rolle, was der Gott sieht.«

    »Es spielt keine Rolle, was der Gott sieht?«, wiederholte Mags sanft.
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Logan könnte Serah heiraten, und diese Kluft ist genauso groß wie die zwischen einem armen Baronet und dir.«
    »Ein Adliger, der eine Frau aus dem niederen Adel heiratet, wird nicht kritisiert, aber ein

Weitere Kostenlose Bücher