Der Weg in Die Schatten
die Leute denken, Kylar, denn sie denken es aus den falschen Gründen. Diesmal fürchte ich, werden sie recht haben.«
Kylar konnte nichts darauf erwidern.
»Ich bete seit Jahren, dass meine Töchter die richtigen Männer finden. Und ich habe gebetet, dass Logan die richtige Frau heiraten würde. Warum fühlt sich dies hier nicht so an, als sei es die Lösung für alles?« Wieder schüttelte er den Kopf und massierte sich den Nasenrücken. »Verzeih mir, ich habe dir ein Dutzend Fragen gestellt, die du unmöglich beantworten kannst, und die einzige Frage nicht gestellt, die du beantworten kannst.«
»Welche ist das, Herr?«
»Liebst du Serah?«
»Nein, Herr.«
»Und dieses Mädchen? Dem du seit fast zehn Jahren Geld schickst?«
Kylar errötete. »Ich habe geschworen, nicht zu lieben, Herr.«
»Aber tust du es?«
Kylar ging zur Tür hinaus.
Als Kylar in den Flur trat, sagte der Graf: »Weißt du, ich bete auch für dich, Kylar.«
33
Das Hurenhaus hatte schon vor Stunden geschlossen. Im oberen Stockwerk schliefen die Mädchen auf besudelten Laken inmitten der Bordellgerüche von schalem Alkohol, schalem Schweiß, altem Sex, Holzrauch und billigem Parfüm. Die Türen waren verschlossen. Mit Ausnahme zweier schlichter Kupferlampen im unteren Stock waren alle anderen Lampen gelöscht worden.
Momma K gestattete nicht, dass ihre Bordelle Geld verschwendeten.
Es waren nur zwei Menschen unten, und sie saßen beide an der Theke. Um den Platz des Mannes herum lagen die Überreste von einem Dutzend zerschmetterter Gläser.
Er leerte das dreizehnte Bier, hob das Glas und warf es auf den Boden. Es zersprang.
Momma K zapfte Durzo ein weiteres Bier, ohne auch nur zu blinzeln. Sie sagte kein Wort. Durzo würde sprechen, wenn er bereit war. Trotzdem fragte sie sich, warum er dieses Bordell ausgewählt hatte. Es war ein Loch. Ihre attraktiven Mädchen schickte sie anderswohin. Bei anderen Bordellen, die sie gekauft hatte, hatte sich eine Instandsetzung gelohnt, aber dieses lag tief im Labyrinth, weit abseits von dessen Hauptstraßen inmitten eines Dschungels von Hütten und Baracken. Dies war der Ort, an dem sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Sie hatte zehn Silbermünzen dafür bekommen und sich glücklich geschätzt.
Das Haus stand nicht gerade ganz oben auf der Liste der Orte, die sie gern besuchte.
»Ich sollte dich umbringen«, sagte Durzo schließlich. Es waren die ersten Worte, die er in sechs Stunden gesprochen hatte. Er leerte sein Bier und schob es über die Theke. Es rutschte einige Ellen weit, kippte um, rollte von der Theke und zerbrach.
»Oh, du verfügst also doch über die Gabe der Sprache?«, fragte Momma K. Sie griff nach einem neuen Glas und öffnete den Zapfhahn.
»Habe ich auch eine Tochter?«
Momma K erstarrte. Sie schloss den Hahn zu spät, und Bier spritzte über die Theke.
»Vonda hat mich schwören lassen, es dir nicht zu erzählen. Sie hatte zu große Angst, es dir selbst zu sagen, und als sie
starb... du kannst Vonda dafür hassen, was sie getan hat, Durzo, aber sie hat es getan, weil sie dich liebte.«
In dem Blick, den Durzo ihr zuwarf, lagen so viel Ungläubigkeit und Ekel, dass Gwinvere am liebsten in sein hässliches Gesicht geschlagen hätte.
»Was weißt du von Liebe, du Hure?«
Sie hatte gedacht, dass niemand sie mit Worten verletzen konnte. Sie hatte jeden erdenklichen Ausdruck in Bezug auf Huren gehört und selbst noch einige weitere beigetragen. Aber etwas an der Art, wie Durzo es gesagt hatte, etwas an dieser Bemerkung - aus seinem Mund! - traf sie bis ins Mark. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte nicht einmal atmen.
Schließlich sagte sie: »Ich weiß, wenn ich so wie du eine Chance auf Liebe gehabt hätte, hätte ich mein Gewerbe aufgegeben. Ich hätte alles getan, um das festzuhalten. Ich wurde in diesen Nachttopf von einem Leben hineingeboren; du bist derjenige, der sein Gewerbe gewählt hat.«
»Wie heißt meine Tochter?«
»Das ist es also? Du bringst mich hierher, um mich daran zu erinnern, wie viele Male ich in diesem stinkenden Loch gefickt wurde? Ich erinnere mich. Ich erinnere mich! Ich habe gehurt, damit meine kleine Schwester es nicht würde tun müssen. Und dann bist du dahergekommen. Du hast mich fünfmal die Woche gefickt und Vonda gesagt, dass du sie liebtest. Du hast sie geschwängert. Und bist fortgegangen. Ich hätte ihr sagen können, dass das geschehen würde. Dieser Teil der Geschichte ist so berechenbar, dass es sich nicht einmal
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