Der Weg in Die Schatten
Krone steht, Jenine. Und ich werde mir diese Krone nehmen. Ich fürchte, ich werde Euch töten müssen. Wollt Ihr entscheiden, wer von Euch zuerst stirbt?«
Bei jeder weiteren Offenbarung beobachtete er ihre Augen, labte sich hungrig an ihrer sterbenden Hoffnung, schwelgte in ihrer auf keimenden Verzweiflung. Roth zog ein Messer und drehte sie so, dass sie Logan gegenüberstand.
Logan schrie wortlos auf, aber Neph hatte ihn geknebelt. Er kämpfte gegen die Fesseln, und seine Muskeln schwollen an, aber es war unmöglich, Nephs Magie zu entkommen. Eher könnte er Sterne vom Himmel reißen.
»Mylord«, rief ein Soldat aus dem Flur. »Eine der Barkassen ist zerstört worden. Die Meister brauchen Euch, um den Widerstand niederzuschlagen.«
Ein Schauer der Erregung überlief Roth, als er sah, wie in den Augen des jungen Mädchens Hoffnung erblühte. »Widerstand«, sagte er. »Vielleicht werden sie Euch retten! Aber wartet, Euer Held ist bereits hier. Logan, wollt Ihr einfach nur da herumstehen? Wollt Ihr sie nicht retten?«
Die Muskeln in Logans Armen und Beinen wölbten sich, und die magischen Fesseln wurden dünner, bis Neph etwas murmelte und sie sich verdoppelten. Der Prinz konnte sich nicht bewegen.
»Ich schätze, wohl eher nicht«, sagte Roth und wandte sich wieder zu Jenine um. »Aber Ihr seid die Prinzessin! Gewiss werden die königlichen Wachen kommen. Ah, ich wette, der Lordgeneral führt in eben diesem Augenblick Männer hierher, um Euch zu retten!« Er strich sich über den Bart. »Aber ich habe
Agon und alle königlichen Wachen getötet. Es gibt keine Helden mehr. Niemand kann Euch retten, Jenine.«
Roth trat hinter Jenine und strich mit der freien Hand über ihren schlanken Bauch. Dann riss er ihr Nachthemd auf, zerrte es ihr vom Leib und hob mit der Hand eine Brust an. Als eine Träne aus ihrem Auge rollte, beugte er sich vor und küsste ihren Hals wie ein Liebender. Währenddessen sah er Logan höhnisch an.
Dann schnitt er ihr an der Stelle, wo er sie geküsst hatte, die Kehle durch.
Roth versetzte ihr einen Stoß, und Jenine stolperte in Logans Arme, die rechte Seite ihres Halses ein Springbrunnen aus Blut.
Neph löste Logans Fesseln gerade so weit, dass er das Mädchen halten, aber nicht die Blutung stillen konnte.
Logans Augen waren Brunnen des Entsetzens und des Mitgefühls. Ein Geräusch wie beseligende Musik in Roths Ohren, der Klang einer Seele, die die äußerste Grenze des Leidens erreicht hatte, entrang sich Logans Lippen. Er hielt das zierliche, keuchende Mädchen an die Brust gedrückt. Roth kostete Logans Entsetzen voll aus, versuchte, sich dieses Bild für immer einzuprägen, wohl wissend, dass er es in den langen, dunklen Nächten brauchen würde.
Aber dann zog Logan sich zurück, drehte sich so, dass Roth sein Gesicht nicht sehen konnte, und schaute Jenine an.
»Ich bin hier, Jeni«, sagte er und hielt den Blick des Mädchens fest. »Ich werde dich nicht verlassen.« Die Sanftheit in seiner Stimme erzürnte Roth. Es war, als spiele Roth keine Rolle mehr. Mit seiner beschwichtigenden Stimme zog Logan Jenine und sich selbst aus dieser Welt von Dunkelheit, umgab sie mit Mauern an einem Ort, den Roth nicht erreichen konnte.
Während Jenine in Logans Augen blickte, konnte Roth sehen,
wie sie sich entspannte - wie sie zwar nicht dem Tod, aber der Verzweiflung entkam. »Du hättest mich wirklich geliebt, nicht wahr?«, fragte sie.
Roth wusste, dass er tiefer hätte schneiden sollen, dass er ihre Luftröhre und nicht nur diese einzelne Arterie hätte aufschlitzen sollen. Er schlug Logan ins Gesicht, aber sein Schlag hätte das Summen einer Mücke sein können, so wenig richtete er aus. Der große Mann verlor nicht einmal den Blickkontakt mit der Prinzessin.
»Jeni. Jeni«, sagte er leise. »Ich liebe dich bereits. Ich werde bald bei dir sein.«
»Ihr sterbt!«, schrie Roth, keinen Schritt von den beiden entfernt, aber er hätte geradeso gut eine Sommerbrise sein können. Jenines Knie zitterten, und Logan zog sie wieder an sich, schloss die Augen und flüsterte ihr ins Ohr, während ihr Leben an seiner Brust ausblutete.
»Mylord, Ihr werdet jetzt gebraucht«, sagte der Bote, drängender diesmal.
Logan sah Roth nicht einmal an, während Jenine an seiner Brust erschauderte. Er flüsterte nur immer weiter beruhigende Worte. Sie sog noch drei weitere gequälte Atemzüge ein, dann seufzte sie in Logans Armen ihr Leben aus, und ihre Lider schlossen sich flatternd. Neph ließ die
Weitere Kostenlose Bücher