Der Weg in Die Schatten
durchschauen konnte, daher war sie in seinen Augen immer perfekt. Sie war für alle Zeit eine Heilige, und ich war immer das Bier, in das jemand hineingespuckt hatte.«
»Er hat sie nicht geliebt«, widersprach Kylar.
»Oh, das wusste ich. Aber Durzo wusste es nicht. So einzigartig er auch in jeder anderen Hinsicht war, dachte Durzo doch, Aufregung plus Sex sei dasselbe wie Liebe; in diesem Punkt dachte er wie alle anderen Männer auch.« Sie krümmte sich plötzlich vor Schmerz zusammen, als sie ein Krampf befiel.
Kylar schüttelte den Kopf. »Er hat mir erzählt, er habe versucht, Euch eifersüchtig zu machen, Euch fühlen zu lassen, wie er fühlte, wenn Ihr mit anderen Männern zusammen wart. Als sie starb, dachte er, Ihr könntet ihm niemals vergeben. Gwinvere, er hat Euch geliebt.«
Sie schnaubte ungläubig. »Warum sollte er so etwas sagen? Nein, Kylar. Durzo wollte seine Tochter sterben lassen.«
»Das ist der Grund, warum Ihr ihn verraten habt?«
»Ich konnte sie nicht sterben lassen, Kylar. Verstehst du denn nicht? Uly ist Durzos Tochter, aber sie ist nicht meine Nichte.«
»Wer ist dann ihre M... nein.«
»Ich konnte sie nicht behalten. Das wusste ich. Ich habe es immer gehasst, Tansy-Tee zu nehmen, aber damals konnte ich es einfach nicht. Ich habe dagesessen, während der Becher in meinen Händen kalt wurde, und mir gesagt, dass etwas in der Art geschehen würde - und ich konnte trotzdem nicht trinken. Eine Shinga mit einer Tochter, was für ein perfekteres Ziel könnte es geben? Jeder würde meine Schwäche kennen. Schlimmer, jeder würde in mir nur eine ganz gewöhnliche Frau sehen. Ich würde meine Macht niemals halten können, wenn das geschah. Also verließ ich die Stadt, bekam sie im Geheimen und versteckte sie. Aber wie konnte er Uly sterben lassen, selbst wenn er dachte, dass sie Vondas Tochter war? Wie konnte er? Roth hat ihn bedroht, aber Durzo hat es darauf ankommen lassen. Du kennst Roth nicht. Er hätte es getan. Es gab nur eine Möglichkeit, wie ich Uly retten konnte: Durzo musste als Erster sterben. Wenn Durzo tot war, würde Roth seine Drohung nicht wahrmachen müssen. Ich musste zwischen dem Mann, den ich fünfzehn Jahre lang geliebt hatte, und meiner Tochter wählen, Kylar. Also wählte ich meine Tochter. Durzo wollte ohnehin sterben, und jetzt will ich es ebenfalls. Du kannst mir nichts nehmen, was ich nicht mit Freuden geben würde.«
»Er hat es nicht darauf ankommen lassen.«
Momma K schien es nicht begreifen zu können. »Was...«, sagte sie und schüttelte den Kopf. Er konnte sehen, wie das Bollwerk des Argwohns, das sie errichtet hatte, Stein um Stein in
sich zusammenbrach. Ein Durzo, der sich erpressen ließ, war ein Durzo, dem an einer Tochter lag, die er nie gesehen hatte. Ein Durzo, der das tun konnte, war ein Durzo, der lieben konnte. Sie hatte ihr Herz gegen ihn verhärtet, weil sie geglaubt hatte, er liebe niemanden, könne niemanden lieben.
Also hatte sie fünfzehn Jahre lang ihre Liebe zu einem Mann verborgen, der seine Liebe zu ihr verborgen hatte. Das bedeutete, dass sie den Mann verraten hatte, der sie geliebt hatte. Indem sie Kylar gegen Durzo kämpfen ließ, hatte sie den Mann getötet, der sie geliebt hatte. »Nein... nein.«
»Sein letzter Wunsch, als er starb, war der, dass ich sie retten möge. Er sagte, Ihr würdet wissen, wo sie ist.«
»Oh, Götter.« Sie brachte die Worte kaum heraus, ein erstickter Laut. Ein weiterer Krampf schüttelte sie, und sie schien den Schmerz willkommen zu heißen. Sie wollte sterben.
»Ich werde sie retten, Momma K. Aber Ihr müsst mir sagen, wo sie ist.«
»Sie ist im Schlund. Zusammen mit Elene, in den Zellen der Adligen.«
»Mit Elene?« Kylar fuhr hoch. »Ich muss zurück.« Er ging zur Tür, drehte sich dann noch einmal um und zog Vergeltung. Momma K sah ihn dumpf an; sie versuchte immer noch, seine Worte zu begreifen.
»Ich habe mich früher gefragt, warum Durzo dieses Schwert ›Vergeltung‹ nannte und nicht ›Gerechtigkeit‹«, sagte Kylar. Er zog den Ka’kari vom Schwert und entblößte das Wort BARMHERZIGKEIT auf dem Stahl darunter. »Oder gleich ›Barmherzigkeit‹? Aber jetzt weiß ich es. Ihr habt es mir gezeigt, Momma K. Manchmal sollten Menschen nicht bekommen, was sie verdienen. Wenn es nicht mehr auf der Welt gibt als Gerechtigkeit, ist alles umsonst.«
Er griff in seinen Beutel und zog eine winzige Phiole mit dem Gegenmittel hervor. Er legte sie auf Momma Ks Schreibpult. »Das ist
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