Der Weg in Die Schatten

bereit zu gehorchen?«, fragte Durzo scharf.
    Azoth nickte hastig.
    »Siehst du diesen Jungen?«
    »Ihr nennt das einen Jungen?«, fragte Azoth zurück. Der junge Mann, den der Graf Logan Gyre genannt hatte, trug einen grünen Umhang mit schwarzen Paspeln, feine schwarze, auf Hochglanz polierte Lederstiefel, eine Baumwollrobe und ein Schwert. Er war zwanzig Schritt von der Tür entfernt und wurde von einem Türsteher hineingeführt. Sein Gesicht sah jung aus, aber sein Körperbau ließ ihn um Jahre älter erscheinen, als Azoth es war. Er war riesig, bereits größer, als Azoth es wahrscheinlich jemals sein würde, und kräftiger und breiter als irgendjemand sonst, den er kannte, obwohl er nicht fett wirkte. Wo Azoth sich in seinen Kleidern unbeholfen und tapsig fühlte, wirkte Logan
zuversichtlich, selbstbewusst, gutaussehend, edelmännisch. Allein sein Anblick genügte, um Azoth das Gefühl zu geben, schäbig zu sein.
    »Fang einen Streit mit ihm an. Lenk den Sethi ab, bis ich draußen bin.«
    »Logan!«, rief ein Mädchen von oben.
    »Serah!«, rief Logan und blickte auf.
    Azoth sah Master Blint an, aber der war bereits verschwunden. Es blieb keine Zeit, irgendetwas zu sagen. Es spielte keine Rolle, ob er verstand oder nicht. Es gab Rätsel, die zu verstehen ihm noch nicht gestattet war. Er konnte nur handeln oder warten, gehorchen oder den Gehorsam verweigern.
    Der Portier öffnete die Tür, und Azoth ging rückwärts um die Ecke, wo man ihn nicht sehen konnte. Als Logan eintrat und die Treppe hinauf blickte, umspielte ein Lächeln seine Lippen. In diesem Moment kam Azoth um die Ecke.
    Sie stießen zusammen, und Azoth landete auf dem Rücken. Logan stolperte beinahe über ihn, als Azoth sich auf die Seite rollte und Logans Fuß ihn im Magen traf.
    »Uff!«
    Logan hielt sich am Geländer fest. »Es tut mir so leid -«
    »Du fetter Affe!« Azoth erhob sich taumelnd und hielt sich den Bauch. »Du unbeholfener Gossenscheißer...« Er brach ab, als er begriff, dass alle Schimpfwörter, die er kannte, ihn als einen Bewohner des Labyrinths bloßstellen würden.
    »Ich habe nicht -«, wandte Logan ein.
    »Was geht hier vor?«, fragte das Mädchen von der obersten Treppenstufe aus. Logan blickte auf, und ein schuldbewusster Ausdruck huschte über seine Züge.
    Azoth versetzte ihm einen Nasenstüber. Logans Kopf wurde zurückgerissen.

    »Logan!«, rief der Sethi.
    Aber Logans milde Miene war verschwunden. Sein Gesicht war eine Maske, eindringlich, aber nicht wütend. Er packte Azoth am Umhang und hob ihn vom Boden hoch.
    Azoth geriet in Panik; er boxte blind um sich und schrie, während seine Fäuste Logans Wangen und Kinn streiften.
    »Logan!«
    »Hör auf damit!«, rief Logan. »Hör auf!« Azoth war außer sich, und Logans Eindringlichkeit verwandelte sich in Zorn. Er nahm eine Hand weg und hielt Azoth mit der anderen weiter hoch, dann grub er die Faust in Azoths Magen, einmal, zweimal. Alle Luft wich aus Azoths Lunge. Dann traf ihn eine Faust von der Größe eines Schmiedehammers mitten auf der Nase und machte ihn blind vor Schmerz und Tränen.
    Dann spürte er inmitten ferner Schreie, wie er in einem engen Kreis herumgewirbelt wurde und - für einen Moment - flog.
    Azoths Kopf schlug gegen Hartholz, und die Welt blitzte in leuchtenden Farben.

14
    Logan hatte darauf bestanden, nach oben zu gehen, um der Gräfin zu helfen, sich um den jungen Kylar Stern zu kümmern. Er war entsetzt und anscheinend nicht nur deshalb, weil er vor der hübschen Tochter des Grafen Drake die Beherrschung verloren hatte. Für Solon waren es aufschlussreiche zehn Sekunden gewesen.
    Graf Drake und Solon wurden allein gelassen. Der Graf
führte ihn zu seinem Amtszimmer. »Warum nehmt Ihr nicht Platz?«, sagte der Graf und setzte sich auf seinen eigenen Stuhl hinter seinem Schreibpult. »Woher stammt Ihr, Master Tofusin?«
    Es war entweder Höflichkeit oder ein Köder. Solon lachte leise. »Das ist das erste Mal, dass man mir diese Frage stellt.« Er deutete auf sich selbst, als wolle er sagen: Seht Euch doch nur meine Haut an.
    »Ich sehe keine Clansringe«, erwiderte der Graf, »oder Narben, wo sie entfernt wurden.«
    »Nun, nicht alle Sethis tragen die Ringe.«
    »Ich stand bisher unter dem deutlichen Eindruck, dass sie es durchaus tun«, sagte Graf Drake.
    »Worum geht es? Worauf seid Ihr aus?«
    »Ich bin neugierig zu erfahren, wer Ihr wirklich seid, Master Tofusin. Logan Gyre ist nicht nur ein prächtiger junger Mann, den ich beinahe wie