Der Weg in Die Schatten
das ungewöhnlich?«
»Die beiden mögen einander nicht. Was ist geschehen?«, fragte Graf Drake.
»Lady Gyre hat darum gebeten, zu Logans Vormund ernannt zu werden. Der König hat das Gespräch mit angehört. Er kam herein und sagte, er werde die Frage seinen Beratern vorlegen. Was bedeutet das?«
Graf Drake nahm seinen Kneifer ab und rieb sich den Nasenrücken. »Es bedeutet, dass er, wenn er schnell handelt, einen Vormund für Logan ernennen kann.«
»Wird Catrinna Gyre ihre Sache denn so schlecht machen?«, hakte Solon nach.
Graf Drake seufzte. »Juristisch gesehen kann der König jeden an Logans Stelle setzen, der ihm genehm ist, solange er mit ihm verwandt ist, was praktisch auf jeden in der adligen Gesellschaft zutrifft. Und sobald er einen Vormund bestimmt hat, wird nicht einmal Regnus imstande sein, die Ernennung rückgängig zu machen. Catrinna hat das Haus Gyre soeben dem König ausgeliefert.«
»Aber Ihr seid Herzog Gyres Anwalt - und er hat Euch über seine Wünsche in Kenntnis gesetzt. Bedeutet das denn gar nichts?«, fragte Solon.
»Wenn der König an der Wahrheit interessiert wäre, doch. Wie die Dinge liegen, müssten wir, um die Gyres zu retten, das Familienpergament der Gyres in die Hände bekommen und das Große Siegel des Herzogs. Dann müssten wir noch die verwegene
Bereitschaft aufbringen, ein staatliches Dokument zu fälschen. Der König hält in einer halben Stunde Hof. Ich schätze, dies wird der erste Punkt auf der Tagesordnung sein. Wir haben einfach keine Zeit.«
Solon räusperte sich und förderte eine Rolle schweren Pergaments und ein massiges Siegel zutage.
Graf Drake grinste und entriss ihm das Pergament. »Ich glaube, ich habe Euch plötzlich ins Herz geschlossen, Master Tofusin.«
»Wendel North hat mir bei der Formulierung geholfen«, erklärte Solon. »Ich dachte, ich überlasse die Unterschrift und das Siegel Euch.«
Graf Drake stöberte auf seinem Schreibtisch, fand einen Brief des Herzogs und legte ihn auf die Vormundschaftsurkunde. Mit schnellen, sicheren Strichen brachte er eine makellose Fälschung der herzoglichen Unterschrift zustande. Dann blickte Graf Drake schuldbewusst auf und sagte: »Nennen wir es einfach das Relikt einer vergeudeten Jugend.«
Solon tröpfelte Siegelwachs auf das Pergament. »Dann wollen wir auf vergeudete Jugend anstoßen.«
»Beim nächsten Mal wirst du dich bewegen«, sagte Blint, als Azoth sich stöhnend einen Weg zurück ins Bewusstsein bahnte.
»Ich glaube nicht, dass ich mich jemals wieder bewegen werde. Mein Kopf fühlt sich so an, als hätte jemand ihn gegen eine Mauer geworfen.«
Blint lachte; es war das zweite Mal, dass Azoth in jüngster Zeit Gelächter von ihm gehört hatte. Er saß auf der Kante von Azoths Bett. »Du hast deine Sache gut gemacht. Sie dachten, es sei dir peinlich, weil du vor Drakes Tochter niedergeschlagen worden bist, daher sind sie zu dem Schluss gekommen, dass es
eine harmlose Kinderei war. Der junge Lord Gyre war entsetzt darüber, dass er dich geschlagen hat - anscheinend ist er ein freundlicher Riese und verliert nie die Beherrschung. Der Umstand, dass du nur ein Viertel seiner Größe aufzuweisen hast und Serah wütend auf ihn war, hilft ebenfalls. Sie waren alle ziemlich beeindruckt.«
»Beeindruckt? Das ist doch dumm.«
»In ihrer Welt haben Kämpfe Regeln, also bedeutet das Kämpfen, dass man Verlegenheit und Schmerz riskiert und schlimmstenfalls sein Aussehen, wenn man sich eine gebrochene Nase oder eine unglückliche Narbe zuzieht. Es bedeutet nicht zu sterben oder zu töten. In ihrer Welt kannst du mit einem Mann kämpfen und dann sein Freund werden. Und du wirst deine Karten so ausspielen, dass Logan tatsächlich dein Freund wird, denn bei einem Mann wie ihm kann man aus so einer Angelegenheit nur als guter Freund oder als schrecklicher Feind hervorgehen. Verstehst du das, Kylar ? Wir werden in Kürze zusammen an deiner neuen Identität arbeiten.«
»Ja, Herr. Herr, warum wolltet Ihr nicht, dass Master Tofusin Euch sieht? Das ist doch der Grund, warum Ihr mir aufgetragen habt, gegen Logan zu kämpfen, nicht wahr? Es war ein Ablenkungsmanöver?«
»Solon Tofusin ist ein Magus. Die meisten Magi - das heißt, die männlichen Magier - können nicht erkennen, ob du magisch begabt bist, wenn sie dich nur ansehen. Andererseits sind die meisten Magae - weibliche Magier - durchaus dazu in der Lage. Es gibt Tarnmanöver, die dich davor schützen, von ihnen erkannt zu werden, und ich werde sie
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