Der Weg in Die Schatten
ob er Kylar einfach töten sollte. Stattdessen hatte er eine andere Entscheidung getroffen: Solange Kylar alles tun konnte, was ein Blutjunge tat, würde Durzo ihn weiter ausbilden. Er versicherte, dass das Unterfangen unterm Strich zum Scheitern verurteilt war. Es war unmöglich. Ein Blutjunge war ohne Magie einfach kein Blutjunge.
»Wer hat den Auftrag erteilt?«, fragte Kylar.
»Der Shinga.«
»Ihr vertraut mir etwas Derartiges an?«
»Du gehst heute Nachmittag rein. Wenn du versagst, gehe ich heute Nacht rein, und ich bringe dem Shinga zwei Köpfe.« Kylar brauchte nicht zu fragen, wem der andere Kopf gehören würde.
»Was hat die ›Leiche‹ getan?«
»Das brauchst du nicht zu wissen.«
»Ist es wichtig?«
Ein Messer erschien in Durzos Hand, aber in seinen Augen lag kein Anflug von Gewalttätigkeit. Er dachte nach. Er schnippte das Messer von Finger zu Finger. Finger, Finger, Finger, stopp. Finger, Finger, Finger, drehen. Kylar hatte einen Barden einmal
mit einer Münze das Gleiche tun sehen, aber Durzo machte es mit einem Messer.
»Nein«, sagte Durzo. »Das ist es nicht. Die ›Leiche‹ heißt Devon Corgi, und lass es uns einfach folgendermaßen ausdrücken: Die meisten Menschen wollen, wenn sie versuchen, sich von der Dunkelheit abzuwenden, einige gut gefüllte Taschen mitnehmen. Der Ballast verlangsamt sie. Sie schaffen es nie. Ich habe in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Mann gekannt, der bereit war, den vollen Preis dafür zu zahlen, dass er den Sa’kagé den Rücken kehrte.«
»Wer war das?«
»Junge, in zwei Stunden hast du ein Rendezvous mit deiner ›Leiche‹. Du hast bessere Fragen zu stellen.«
»Devon Corgi?« Der Wachmann legte die Stirn in Falten. »Nein, kenne ich nicht. He, Gamble, kennst du einen Devon Corgi?«, fragte er einen anderen Wachposten, der durch das Westtor der Burg kam.
Es war beinahe zu einfach. Kylar hatte vor langer Zeit die Robe und die Tasche gestohlen, die zur Uniform des besten Kurierdienstes der Stadt gehörten. Leute, die keine eigenen Dienstboten hatten, beauftragten Jungen - Jungen von der Ostseite, niemals Gilderatten -, ihre Nachrichten zu überbringen. Wann immer Wachen den Eindruck gemacht hatten, als könnten sie Fragen stellen, war Kylar auf sie zugegangen und hatte nach dem Weg gefragt.
Wissen sie es nicht? Können sie nicht sehen? Diese Männer waren Wachposten, sie sollten eigentlich Devon Corgi und alle anderen in der Burg beschützen, und sie würden einen Mörder direkt zu ihm führen? Wie konnten sie so dumm sein? Es war ein unbehagliches Gefühl von Macht. Und es war befriedigend, dass
all die Stunden mit Blint eindeutig etwas bewirkt hatten. Kylar wurde gefährlich. Und doch - wie konnten sie nicht erkennen, was er war?
»Klar, er ist der Mann, dem schon die ganze Woche die Augen zucken und der sich vor Schatten erschreckt. Ich glaube, er ist oben im Nordturm. Wenn du willst, dass ich ihm deine Nachricht überbringe, könnte ich das tun. Mein Dienst fängt in zehn Minuten an, und es ist der erste Halt auf meiner Runde.«
»Nein, danke. Ich hoffe auf ein gutes Trinkgeld. In welche Richtung muss ich gehen?«
Während der Wachposten Kylar den Weg beschrieb, versuchte er, sich seinen Plan zurechtzulegen. Der Mord selbst sollte nicht schwierig sein. Ein Kind kam an einen Erwachsenen viel näher heran, bevor dieser Verdacht schöpfte, und dann würde es zu spät sein. Die schwierige Aufgabe bestand darin, den Mann zu finden. Devon hatte nicht einfach irgendwo eine Amtsstube. Er bewegte sich in der Burg. Das barg alle möglichen Risiken in sich, insbesondere da Kylar den Auftrag heute erledigen musste. Der Nordturm klang gut. Abgelegen. Dass der Wachmann bald dort hinkommen würde, klang schlecht. Kylar hatte soeben mit dem Mann gesprochen und ihm gesagt, nach wem er suchte.
Mit der Schminke, die Blint bei ihm benutzt hatte, sah Kylar vollkommen anders und um Jahre jünger aus. Aber es war immer das Beste, dafür zu sorgen, dass ein Todesfall ein Rätsel blieb. Ein Blutjunge lässt Leichen zurück, keine Beweise. Also würde Kylar Corgi suchen und sich verstecken, bis der Wachmann kam und wieder ging, dann würde er ihn töten.
Rein und wieder raus, kein Problem, selbst ohne Magie.
Die Burg war ehrfurchtgebietend. Obwohl Blint immer voller Verachtung von ihr sprach, war sie das prächtigste Gebäude, das Kylar je gesehen hatte. Sie war aus dem gleichen schwarzen
Granit gebaut wie die alten Aquädukte auf dem Westufer. Die
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