Der Weg in Die Schatten
Scheißer muss sich verirrt haben. Alles in Ordnung hier oben?«
»Klar, alles bestens.«
»Dann bis später.«
Nachdem der Wachposten gegangen war, wartete Devon dreißig Sekunden, dann trat er dicht vors Bett und begann sich die Taschen vollzustopfen. Kylar konnte nicht sehen, womit.
Jetzt geht es los. Der Wachposten würde inzwischen so weit entfernt sein, dass er Devon nicht hören würde, selbst wenn es diesem gelang zu schreien. Devon ging vom Bett weg und zur Kommode hinüber, und Kylar kroch wie ein Käfer unter dem Bett hervor. Er stand auf und zog das Messer. Devon war nur Schritte von ihm entfernt. Kylars Herz hämmerte. Er dachte, dass er das Blut in seinen Ohren rauschen hören konnte.
Kylar machte alles richtig. Haltung eher gebückt und stets reaktionsbereit, leise, aber schnelle Annäherung, immer sicheres Gleichgewicht, so dass ihn die ›Leiche‹ niemals auf dem falschen Fuß erwischen konnte. Er hob das Messer auf Augenhöhe und bereitete sich darauf vor, Devon zu packen und ihm das zu verpassen, was Durzo das rote Grinsen nannte - einen Schnitt durch beide Drosselvenen und die Luftröhre.
Dann stellte er sich vor, wie Puppenmädchen ihn mit dem Ausdruck ansah, mit dem sie ihn angesehen hatte, als er das größte Stück Brot für sich behielt. Was tust du, Azoth? Du weißt, dass es Unrecht ist.
Er erholte sich zu spät, und es war, als hätte sein Training ihn im Stich gelassen. Kylar war nur einige Zoll von Devon entfernt, und Devon hatte ihn immer noch nicht gehört, aber allein die Nähe zu ihm machte Kylar panische Angst. Er zielte auf Devons
Hals und musste dabei irgendein Geräusch gemacht haben, denn Devon drehte sich um. Das Messer bohrte sich in Devons Nacken, traf auf Rückgrat und prallte ab. Wegen der Verkrampftheit, mit der er das Messer hielt und für die Durzo ihn geschlagen hätte, sprang ihm die Klinge aus der Hand.
Devon drehte sich um und stieß ein schrilles Heulen aus. Kylars plötzliches Erscheinen schien ihn mehr zu überraschen als das Brennen an seinem Nacken. Er trat zur gleichen Zeit zurück wie Kylar selbst. Dann griff er sich an den Nacken, betrachtete seine Finger und sah das Blut. Beide Männer blickten auf das Messer hinab.
Devon versuchte nicht, es zu packen. Kylar riss das Messer an sich, und während er stehen blieb, fiel Devon auf die Knie.
»Bitte«, sagte er. »Bitte, tu es nicht.«
Es erschien ihm unglaublich. Die Augen des Mannes waren groß vor Angst - er sah ein wenig aus wie Kylar, dessen Tarnung ihn noch kleiner und jünger erscheinen ließ. Er hatte nichts Erschreckendes an sich, nicht wahr? Doch Devon wirkte wie ein Mann, der seinem Ende ins Auge blickte. Sein Gesicht war weiß, seine Augen rund, bemitleidenswert, hilflos.
»Bitte«, sagte er noch einmal.
Kylar schlitzte ihm voller Zorn die Kehle auf. Warum schützte er sich nicht? Warum versuchte er es nicht einmal? Er war größer als Kylar. Er hatte eine Chance. Warum musste er sich benehmen wie ein Schaf? Ein großes, dummes, menschliches Lamm, zu schwachsinnig, um sich auch nur zu bewegen. Der Schnitt durchtrennte die Luftröhre, ritzte aber keine der Drosselvenen auch nur an. Er war tief genug, um zu töten - aber nicht schnell. Kylar packte Devon am Haar und stieß noch zweimal zu, stets von unten leicht nach oben, so dass das Blut eher am Opfer herablaufen als aus ihm herausschießen würde. Nicht ein Tropfen
spritzte auf Kylars Kleidung. Er hatte es genauso gemacht, wie Durzo es ihn gelehrt hatte.
Auf der Treppe war ein Geräusch zu hören. »Devon, es tut mir leid«, sagte Bev, bevor sie den Raum auch nur betreten hatte. »Ich musste einfach zurückkommen. Ich habe es nicht so gemeint...« Sie trat ein und sah Kylar.
Sie sah sein Gesicht, sie sah den Dolch in seiner Hand, sie sah ihn den sterbenden Devon an den Haaren festhalten. Sie war eine reizlose junge Frau in einem weißen Dienstbotinnenkleid. Breite Hüften, weit auseinanderliegende Augen, den Mund zu einem kleinen ›Oh‹ geöffnet und mit wunderschönem, rabenschwarzem Haar.
Beende den Job. Seine Ausbildung gewann die Oberhand. Kylar war im Nu auf der anderen Seite des Raums. Er riss die Frau nach vorn, über sein Knie hinweg und zu Boden. Er war genauso unerbittlich wie Durzo Blint. Die Frau lag unter ihm, mit dem Gesicht auf dem Teppich, der diesen Teil des Bodens bedeckte. Der nächste Schritt bestand darin, ihr das Messer zwischen die Rippen zu bohren. Sie würde es kaum spüren. Er würde ihr Gesicht nicht sehen
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