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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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nicht besuchen lassen.«
    Aber Azoth konnte sich daran erinnern, auf ein Messer hinabgeblickt zu haben, das aus seiner Brust ragte - es war so real erschienen. Wie konnte so etwas sein?
    »Ich konnte nicht für sie arbeiten«, sagte Master Blint. »Für sie wäre ich ein blutiges Schwert gewesen. Sie wären nicht imstande gewesen, mich zu säubern, und sie wären nicht imstande gewesen, mich in die Scheide zu schieben. Irgendwann hätten sie mich getötet. Es ist einfacher, seine Feinde im Auge zu behalten als seine Freunde.«
    »Also habt Ihr Blutjungen getötet?«, fragte Azoth und versuchte, sich zusammenzureißen. Wochenlang hatte er sich verboten, an diesen Nachmittag zu denken, aber jetzt kam er nicht mehr dagegen an. Er erinnerte sich an den Ausdruck in den
Augen des Lordgenerals, an den maßlosen Schock. Er erinnerte sich daran, dem Blick dieser Augen zu seiner eigenen Brust gefolgt zu sein...
    »Niemand, der sich auf sein Gewerbe versteht, wollte den Auftrag, mich zu töten, annehmen. Männer wie Wrable, Gibbet und Severing werden zu gut für gewöhnliche Aufträge bezahlt, als dass sie ihr Leben im Kampf gegen einen echten Blutjungen aufs Spiel setzen würden. Jetzt denk daran, du bist ein Stern. Du bist stolz darauf, selbst wenn du arm bist. Die Sterns sind Barone, also gehören sie zum oberen Adel, stehen aber auf der untersten Stufe -«
    »Ich weiß«, fiel Azoth ihm ins Wort. »Ich weiß.«
    War es nur seine Einbildung, oder hatte Master Blint gerade schuldbewusst dreingeblickt? Der Blutjunge fischte eine Knoblauchzehe aus seiner Tasche und steckte sie in den Mund. Wäre es ein anderer gewesen als er, hätte Azoth geschworen, dass er versuchte, ihn abzulenken, dass er es eilig hatte, den Raum zu verlassen, bevor Azoth ihn festnageln konnte. Warum war ich so erpicht darauf, einem Mann zu gefallen, der bereit war, mich zu ermorden?
    Ich dachte, ich läge ihm am Herzen. Während der Wochen, die er hier im Bett verbracht hatte, war Kylar allein gewesen. Er hatte alles, was sein altes Leben ausgemacht hatte, hinter sich gelassen. Er hatte in Jarl und Puppenmädchen wahre Freunde gehabt. Ihnen hatte er am Herzen gelegen. Jetzt tat er so, als sei er mit Logan Gyre befreundet - und selbst der war fortgegangen. Nicht einmal Momma K kam ihn besuchen.
    Es war beinahe ein körperlicher Schmerz, als der Graf und die Gräfin gleichzeitig hereinkamen. Es war so offensichtlich, dass sie einander liebten; sie waren sicher und glücklich und ehrlich zueinander. Selbst Logan und Serah tauschten manchmal Blicke, die offenbar machten, dass sie einander mochten.
Diese Blicke und diese Liebe erfüllten Kylar mit einer so tiefen Sehnsucht, dass er glaubte, seine Brust werde bersten. Es war nicht nur Hunger; eine Gilderatte kannte Hunger, wie sie die Abwasserkanäle kannte, in denen sie sich im Winter auf der Suche nach Wärme zusammenkauerte. Hunger war nicht angenehm, aber er war vertraut, und er war nichts, was man fürchten musste. Dies war ein Durst, als sei sein ganzer Körper verdorrt und vertrocknet, als stehe er kurz davor zu zerfallen. Er starb an den Ufern des größten Sees der Welt an Durst.
    Nichts davon war für ihn bestimmt. Für ihn war der See ein Ozean. Es war Salzwasser, das ihn, wenn er davon trank, immer durstiger und durstiger machen würde, bis er wahnsinnig wurde und starb. Liebe bedeutete Tod für einen Blutjungen. Wahnsinn und Schwäche und Verletzbarkeit und Tod, nicht nur für den Blutjungen selbst, sondern auch für jeden, den er liebte. Alles aus Azoths Leben war tot. Er hatte geschworen, dass er niemals lieben würde, aber als er dieses Versprechen gab, hatte er auch noch nie etwas gesehen wie das, was der Graf und die Gräfin miteinander teilten. Es wäre erträglich gewesen, wenn irgendjemand ihm in irgendeiner Weise zugetan gewesen wäre.
    Während der Zeit, die er mit Master Blint verbracht hatte, hatte er zu denken begonnen, dass der Blutjunge ihn mochte. Er hatte geglaubt, dass Master Blint manchmal sogar stolz auf ihn war. Auch wenn alles an dem grauhaarigen Lordgeneral Azoth fremd war, hatte in dem Zorn und der Ungläubigkeit, die in seinen Augen zu lesen gewesen waren, als Master Blint Azoth erstochen hatte, etwas Richtiges gelegen. Blint hätte es nicht tun sollen.
    Azoth brach in Tränen aus. »Wie konntet Ihr das tun? Was ist los mit Euch? Es war nicht richtig.«

    Blint war für einen Moment überrascht, dann wurde er plötzlich wütend. Er packte Azoth an seiner Robe und schüttelte

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