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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gruppe der Pani von Osten her durch das Gehölz, das hier erst glimmte und nur an wenigen Stellen bereits aufflammte. Die Männer der Bärenbande waren zu gering an Zahl, um den Pani überall entgegenzutreten, wo sie etwa angriffen. Daher surrten nur wenige Pfeile, und die Panigruppe erreichte die Pferde und machte sie den Kriegern der Bärenbande streitig. Die Tiere wurden dabei vor Angst wie irrsinnig. Die feindlichen Krieger gelangten dazwischen und schlugen sich mit den Dakota. Einer zerrte den anderen vom Pferderücken herab. Man brachte einander zu Fall. Zwei packten sich und rissen sich wieder los. Männer wälzten sich zwischen den abermals stürzenden Tieren. Einige sprangen auf und trieben ihre Tiere an, während andere in die Zügel griffen, um sie zurückzuhalten. Mit Messern und Keulen gingen die Feinde aufeinander los, während die Flammen im Gehölz höher züngelten. Die Tiere, die inzwischen alle ihrer Fesseln ledig waren, gerieten in jene Raserei, die von Menschen nicht mehr zu bändigen war. Teils mit, teils ohne Reiter, teils Dakota, teils Pani auf dem Rücken brachen sie aus und galoppierten in blindem Herdentrieb dem jungen Scheckenhengst nach, der den Pflock vor dem Zelt losgerissen hatte und den anderen Tieren voran ostwärts davonstürmte.
    Die Häuptlinge der feindlichen Parteien mußten beide mit Mißbehagen beobachtet haben, wie sich auf diese Weise ein großer Teil ihrer Krieger nutzlos in der Prärie zerstreute. Auf beiden Seiten erklang der dunkle Ton der Kriegspfeife, der zu Rückzug und Sammeln rief. Da es unmöglich war, die Pferde zu wenden, sprangen die Reiter ab, um zu ihren Scharen zurückzukehren. Dabei teilten sie sich im welligen Gelände und der nächtlichen Dunkelheit, ohne mehr aneinanderzugeraten.
    Die Mädchen erkannten, daß einige Krieger durch das Gehölz zurückkehrten und zu dem Alten Raben auf dem Dorfplatz herbeieilten, um weitere Befehle zu verlangen. Es war bis dahin nichts weiter erreicht, als daß die Pferde alle davongelaufen wären. Für die Pani blieb es ein Erfolg, daß die Bärenbande ihre Tiere verloren hatte. Sie quittierten diesen Ausgang des Kampfes um die Pferde mit einem allgemeinen Triumphgeschrei, durch das sie den Dakota wiederum alle ihre Standplätze verrieten.
    Unterdessen entwickelte sich das Feuer im Gehölz. Die Nacht war windstill, und die Flammen fraßen sich nicht mit der Schnelligkeit des Windes weiter, aber trockenes Holz, Laub und Gras boten genug Nahrung, so daß sich das Feuer ausbreiten könnte. Alle Frauen und Kinder hatten sich jetzt auf dem graslosen Dorfplatz und in den an den Platz angrenzenden Zelten zusammengefunden, da hier der Boden nicht in Brand geraten konnte und nur der Rauch gefährlich wurde. Sie verhielten sich sehr ruhig. Es gab weder Gedränge noch Geschrei. Alle richteten sich unwillkürlich nach Untschida, die neben den beiden Mädchen stand. Diejenigen Krieger, die sich noch im Gehölz befanden, mußten es jetzt räumen, wenn sie nicht verbrennen wollten. Sie sammelten sich um den Alten Raben. Der Rabe gab Befehl, über das Bachbett hinweg gegen die Pani vorzubrechen, auch wenn sich die Krieger damit in heller Beleuchtung den Pfeilen der Feinde aussetzten. Er selbst wollte sie bei dem verzweifelten Versuch anführen.
    Uinonah spürte, wie Weiße Rose zitterte. Wenn die Männer der Bärenbande unterlagen, wurden sie von den Pani getötet, und ihre Skalpe würden an den Trophäenstangen bei den Zelten der Feinde trocknen. Das Schicksal der Frauen und Kinder war ungewiß. Sie mußten auch sterben, öder sie mußten in den Zelten der Feinde arbeiten und Frauen der Krieger werden, die ihre Väter, Brüder und Männer getötet hatten. Uinonah lehnte sich an Untschida, und beide Mädchen suchten bei dieser den mütterlichen Schutz. »Vater! Mein Vater Mattotaupa, wenn du jetzt hier wärst«, sprach Uinonah leise vor sich hin, »dann würden wir nie in solche Not geraten.«
    »Das ist die Wahrheit«, sagte eine Stimme, und Uinonah fuhr zusammen, weil sie nicht geglaubt hatte, daß jemand außer Untschida und Weiße Rose ihre Worte verstehen könnte. Sie wandte sich um und erkannte den Mann, der so gesprochen hatte. Es war der Krieger mit Namen Tschotanka.
    Am Bachbett vor dem brennenden Gehölz war noch kein Kampfgeschrei zu hören. Die Krieger schienen den verzweifelten Angriff noch nicht unternommen zu haben. Es mußte aber etwas geschehen, wenn nicht alle verbrennen oder im Rauch ersticken oder hilflose Beute der

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