Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Pani werden sollten.
    Da ­ jetzt gingen sie vor: »Hi ­ jip ­ jip ­ jip ­ hi ­ jaaah!« Sie schrien kurz und heiser, und die Pani brüllten höhnisch zurück, und trotz des hin- und herwogenden Geschreis glaubten die Mädchen das grausame Singen der Bogen zu hören, von denen die Pfeile abgeschnellt wurden. Der Rauch nahm ihnen fast den Atem, und Untschida befahl allen, sich hinzulegen, damit sie leichter Luft holen könnten.
    In diesem Augenblick krachten zwei Schüsse. Auf die Schüsse folgte vollständige Stille. Das Kriegsgeschrei der Dakota war verstummt, aber auch das der Pani. Nur das Knacken und Knistern von Holz in den Flammen war noch zu hören. Die Mädchen lauschten mit offenem Munde. Der nächste Laut war ein aufschwellendes Wutgebrüll der Pani.
    Es krachte wieder ein Schuß, scheinbar von ganz anderer Stelle als die ersten beiden. Die Pani verstummten abermals. In der neu einsetzenden Stille aber erklangen jetzt von der dunklen Prärie her, im Rücken der Pani, zwei einzelne Stimmen: »Hi ­ jip ­ jip ­ jip ­ hi ­ jaaah!«
    Uinonah, die diese Stimmen erkannte, preßte die Hände vor die Augen und biß sich vor überwältigendem Glück fast in die eigene Hand, denn sie wußte jetzt, daß der Vater und der Bruder nahe waren. Harka besaß ein Geheimniseisen! Harka mußte es sein, der geschossen hatte, und vielleicht summten auch schon Mattotaupas Pfeile durch die Finsternis und trafen die Pani, die sich eines solchen Angriffs im Rücken nicht versehen hatten. Uinonah hörte auch Pferdegalopp. Mattotaupa und Harka mußten ihre Mustangs bei sich haben. Darum konnten sie so schnell den Ort wechseln, von dem aus sie angriffen.
    Noch einmal fielen zwei Schüsse. Dann erhob sich das Kampfgeschrei der Krieger der Bärenbande am Bache, und die Mädchen konnten an dem sich entfernenden Geschrei erkennen, daß die Krieger über den Bach gegen die Pani vordrangen. Die Kampfrufe der Pani waren jetzt schwächer, sie zerstreuten sich.
    Vor dem Mazzawaken fürchteten sich die Feinde. Gewiß, sie fürchteten sich vor Harka und Mattotaupa! Uinonah erstickte fast im Rauch, und die Hitze quälte sie, aber dennoch war sie voller Zuversicht und dachte nicht mehr an Sterben und Gefangenschaft, sondern nur noch an den Sieg und ihre Hoffnung, Vater und Bruder wiederzusehen.
    Durch das Feuer selbst entstand der Feuersturm, der die Flammen weiter entfachte und vorwärtstrieb. Aber da das Gehölz klein und das Gras auf den hochgelegenen Prärien kurz war, fraß das Feuer, sobald es in vollem Gange war, auch sehr bald seine Nahrung auf. Die Bäumchen, die vorher als Fackeln in der Nacht geleuchtet hatten, fielen schon in Asche zusammen, die brennende Wiese wurde schwarz, und durch den starken Luftzug verzog sich der Rauch. Das Feuer verließ den Pferdebach, das Gehölz und die Zelte und breitete sich mit rasender Geschwindigkeit südwärts aus, zu einem großen Präriebrande anwachsend.
    Die Pani mochte der Schrecken packen, daß das Feuer jetzt ihren eigenen Zelten im Süden zueilte. Aber vielleicht blieben sie dieser Möglichkeit gegenüber auch kaltblütig. Denn gegen Präriebrände, die rechtzeitig bemerkt wurden ­ und diesen Brand mußte man im Süden von weitem kommen sehen ­, verstanden die Indianer Gegenfeuer anzuzünden. Dadurch wurden alle Wiesen rings als Weiden vernichtet, aber die Menschen waren gerettet.
    Der Luftzug wirbelte Asche auf, und die Ascheteilchen setzten sich den Mädchen beißend in die Augen. Es war auf dem Dorfplatz wieder ganz dunkel geworden. Mit allen anderen zusammen lauschten Uinonah und Weiße Rose, denn es war nicht nur dunkel, sondern auch still. Da das Gehölz vom Brande verzehrt war, konnten die Frauen und Kinder vom Dorfplatz aus zwischen den Zelten hindurch bis über den Bach nach allen Richtungen über die Prärie schauen. Der Sternenhimmel wölbte sich über dem einsamen und unfruchtbaren Land, um das die Menschen gekämpft hatten. Nur im Süden blieb der Himmel rot. Dort wütete der Brand weiter.
    Es war immer noch merkwürdig still. Fast schien es, daß die Kampfparteien sich voreinander verbergen wollten. Vielleicht zogen sich die Pani zurück. Vielleicht bereiteten sie einen neuen Angriff vor. Auch von ihren eigenen Kriegern konnten die Frauen und Kinder nirgends etwas erblicken.
    Auf einmal schrie Weiße Rose angstvoll auf, denn wie aus dem Boden gewachsen stand ein ellenlanger Krieger vor ihr; sein kahler Schädel und seine wippende Skalplocke ließen ihn als Pani

Weitere Kostenlose Bücher