Der Weg in die Verbannung
plötzlich.
Weiße Rose lauschte und zuckte dann die Achseln zum Zeichen, daß sie nichts vernahm.
»Komm zurück ins Dorf; es könnte ein Panispäher sein!« riet Uinonah hastig. Aber in demselben Augenblick fuhren die Mädchen schon beide erschreckt zurück, denn eine menschliche Gestalt glitt wie eine Eidechse durchs Gras zu ihnen her. Weiße Rose wollte aufschreien, aber Uinonah hielt ihr mit einer schnellen Bewegung den Mund zu. Der Mensch, der heimlich herbeigekommen war, saß jetzt bei den Mädchen.
»Harka!« sagte Uinonah. Sie meinte fast zu ersticken vor Erregung. Der Knabe tat den Mund auf. »Wißt ihr, daß die Pani gleich hier sein werden?«
»Nein. Was …«
»Schweig. Ich gehe wieder. Ihr habt mich nie gesehen, versteht ihr? Lauft aber zu den Zelten und sagt Untschida, was ihr erfahren habt. Ich habe gesprochen, hau.«
Der Knabe war schon wieder verschwunden. Die Mädchen fragten sich fast, ob sie träumten oder wach waren. Aber dann rafften sie sich auf und rannten zu dem Zelte der »Vier Weltenden«. Sie liefen hinein und schrien beide gleichzeitig: »Die Pani kommen!«
Alle Schläfer fuhren vom Lager auf. Niemand fragte die Mädchen in diesem Augenblick, woher sie die Kunde hatten. Alle begriffen, daß die Kinder draußen gewesen waren und nun ins Zelt zurückkamen, und also mußten sie wohl etwas von dem Kommen der Feinde wahrgenommen haben. Schonka, der fünfzehnjährige Bursche, und selbst Harpstennah, der Knabe, griffen zu den Waffen und stürmten aus dem Zelt hinaus. »Die Pani kommen!«
Im Umsehen war das Dorf auf den Beinen. Alter Rabe, der Vater der drei Rabenbrüder, stand auf dem Dorfplatz bei dem Pfahl. Er hatte den Kampf zu leiten und gab laut seine Befehle. Die Krieger sollten das Gehölz besetzen, um die Feinde aus dieser Deckung heraus mit Pfeilen beschießen zu können, wenn sie sich heranwagten. Frauen und Kinder hatten bei den Zelten zu bleiben. Uinonah und Weiße Rose standen eng aneinandergeschmiegt vor dem Eingang des Häuptlingszeltes und beobachteten von hier aus, was geschah. Sie sahen, wie die drei Späher aus Süden zurückkehrten und sich bei dem Raben meldeten.
»Woher kommen die Pani?« fragte dieser seine Kundschafter. »Wir haben sie nicht gesehen!« antworteten die Krieger verwirrt.
»Ihr habt … ihr habt sie nicht gesehen? Augen blind, Ohren taub? Wer hat denn gewarnt?«
»Wir wissen es nicht.«
Der Alte Rabe wandte sich erzürnt ab. Wer sollte das verstehen! Aber er hatte anderes zu tun, als über unfähige Späher nachzudenken und weiter nachzuforschen, woher die Warnung gekommen sei. Denn es ertönten schon die ersten feindlichen Kriegsrufe, und gleichzeitig wurden Brandpfeile in das dürre Gehölz geschossen. Die Feinde befanden sich nördlich des Baches. Sie konnten ohne Gefahr für sich selbst Gehölz und Prärie südlich des Bachbettes in Brand setzen. Flammen und Rauch mußten dann die Krieger aus dem Gehölz und die Frauen und Kinder aus den Zelten und den Pani in die Hände treiben Das Bachbett vermochte keiner der Dakota zu überschreiten, ohne sich dem Pfeilhagel der Pani auszusetzen. Das alles begriffen sogar die kleinen Mädchen. Schon züngelten die ersten Flammen im Gehölz auf. Niemand konnte Wasser zum Löschen schöpfen, denn die Pfeile der Pani beherrschten das Bachbett. Das vielstimmige Kampfgebrüll, das die Feinde jetzt erhoben, belehrte die Angehörigen der Bärenbande, daß sich die Pani in mehrfacher Überzahl befanden.
Alter Rabe pfiff auf der Kriegspfeife den hellen Ton, der die Männer, aufhorchen ließ, und schrie: »Zu den Pferden! Zu den Pferden!«
Trotz des Gebrülls der Pani wurde der Befehl verstanden. Die Krieger rannten zu der Herde ihrer Mustangs. Die Tiere befanden sich an der Ostseite der Wiese, und die beiden Mädchen beobachteten mit Entsetzen, was sich jetzt dort abzuspielen begann.
Die Pferde hatte panischer Schrecken vor den auflodernden Flammen ergriffen. Sie befanden sich schon in vollem Aufruhr. Die Männer sprangen dazwischen und mußten sofort aufsitzen, denn die Mustangs hatten nichts weiter vor, als auszubrechen und davonzujagen. Die Hundemeute war schon über den Bach gesetzt und in der nächtlichen Prärie verschwunden.
Die Pani mußten bemerken, was bei den Pferden vorging. Auch auf ihrer Seite ertönte daher der helle Ton der Kriegspfeife, und ihr Häuptling brüllte: »Laßt die Kojoten nicht zu den Pferden! Laßt sie nicht zu den Pferden!«
Dem Befehl des Häuptlings folgend, brach eine
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