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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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für die Bärenbande einfangen.
    Harka war voller Freude über den Sieg, den die Bärenbande über die Pani davongetragen hatte. Wenn er sich selbst seine Rolle in diesem Kampf in der Einbildungskraft vorher auf das glänzendste ausgemalt hatte, so dachte er doch jetzt, nachträglich, kaum an die eigene Leistung. Wie selbstverständlich war es gewesen, die angreifenden Pani im Rücken zu fassen, mit dem gefürchteten Mazzawaken zu schießen und sie auf diese Weise aufzustören und zu verwirren. Harka hatte in dieser Nacht zum erstenmal in seinem Leben einen anderen Menschen getötet. Aber das kam ihm kaum zum Bewußtsein, da er nicht von Mann zu Mann gekämpft, sondern aus der Entfernung und in der Dunkelheit geschossen und die Toten nicht mehr gesehen oder berührt hatte. Er wußte und empfand vor allem, daß Uinonah und Untschida vor Feuer und Feinden gerettet waren und daß Mattotaupa sich ausgezeichnet und den Befehl über die Männer der Bärenbande in einem sehr kritischen Augenblick übernommen hatte. Während des Ritts hatte er den Vater immer vor sich. Die Sonne war längst aufgegangen; es verbreitete sich das grelle Mittagslicht, und Harka sah den rußverschmierten Rücken des Vaters, der in der Nacht über den heißen, von schwelender Asche bedeckten Boden zum Dorfplatz vorgedrungen war.
    Es war schon wieder Nacht, als Mattotaupa und Harka die Wälder endlich erreichten. Sie machten an einem Gewässer halt. Die verschwitzten, verschmutzten, lechzenden Mustangs soffen. Auch Mattotaupa und Harka stillten ihren brennenden Durst und ließen sich auf den Boden fallen, um auszuruhen. Hier im Wald war es kühler und feuchter als auf der ausgedörrten Prärie; es roch modrig nach Herbst und doch erfrischender als auf der staubigen Grassteppe.
    Die beiden Indianer sogen die Luft tief ein. Harka überwältigte der Schlaf, aber nicht für lange, denn die Unruhe des Vaters weckte ihn wieder. Der Junge torkelte noch vor Erschöpfung. Mattotaupa schob ihm einen Bissen zwischen die Zähne, und als Harka gekaut und geschluckt hatte, noch einen, so daß der Junge sich allmählich wieder fand und aufmerken konnte.
    Der Vater begann sein Vorhaben zu erklären. »Wir betrachten uns als Späher der Bärenbande«, sagte er. »Ich will auskundschaften, wie die Posten bei den Pferden der Pani jetzt verteilt sind, wie viele ihrer sind und auf welche Weise wir den Pani die Pferde wegnehmen können. Sobald ich das weiß, handeln wir entweder selbst oder warten auf die Krieger. Sie werden den Pani auf den Fersen sein, und die Pani brauchen ihre Pferde, das ist gewiß.«
    Mattotaupa hieß Harka aufsitzen und auf dem Rücken des Grauschimmels weiterschlafen, während er selbst den Fuchs bestieg und den Grauschimmel am Zügel mitführte. Harka war ärgerlich über sich selbst und seine vollständige Erschöpfung, aber er konnte darüber nicht lange nachdenken. Er versank gleich wieder in eine Art Halbschlaf, der ihn am Denken hinderte, aber doch noch vor dem Herabfallen vom Pferde bewahrte.
    Er wurde erst wieder munter, als Mattotaupa haltmachte. Es war noch Nacht und im Walde ganz finster. Der Vater vertraute dem Jungen die Pferde an und ermahnte ihn, nun keinen Augenblick mehr zu schlafen, da man sich schon zu nahe an den feindlichen Wachen befinde. Harka riß sich zusammen, aß noch etwas Fleisch und hielt dann die Augen offen. Mattotaupa ging und war im Dunkeln zwischen den Bäumen nicht mehr zu sehen und selbst für ein geübtes Ohr auch nicht zu hören.
    Harka wartete etwa zwei Stunden, bis der Vater zu ihm zurückkam. Mattotaupa begann gleich zu berichten und schien sehr guter Dinge. »Hundert Pferde und nur zehn Wachen!« sagte er. »Die Wachen sind sorglos. Sie haben die Pferde nicht einzeln festgemacht, sondern nur zusammengetrieben und aus Ästen und Stämmchen einen Zaun gebaut. Dieser schwache Zaun schreckt nur ein ruhiges Pferd. Ein scheues Tier bricht durch oder setzt darüber hinweg. Wir werden den Kriegern der Pani die Pferde nehmen, ehe sie überhaupt zu dem Walde zurückkommen, hau.«
    Der Gegenpartei die Pferde zu nehmen, war in der Prärie eines der üblichen, immer wieder und unter den verschiedensten Umständen angewandten Kampfmittel. Harka vergaß seine Müdigkeit.
    »Wie machen wir die Pferde scheu, Vater?«
    »Mit Feuer können wir sie leicht verwirren, aber ich will den Wald nicht in Brand stecken. Das Feuer würde auf der Prärie weiterfressen und alle Wiesen verderben, die der Bärenbande und den

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