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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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Stiefelabsätze in den Boden bohrte, um besseren Halt zu finden, weil ihre Beine zitterten. Er legte den Kopf auf die Seite und musterte sie eingehend.
    «Sie sind von Gott gesegnet», sagte er. «Mit Schönheit gesegnet. Und doch sehe ich hier eine Afrikanerin vor mir, die sich gegen die eigenen Brüder wendet.»
    Er hob eine Hand und berührte Bears Wangen und Lippen.
    «Ich bin kein Unmensch», fuhr er leise fort. «Ganz und gar nicht. Ich tue lediglich, was getan werden muss.» Die senkrechte Falte auf seiner Stirn vertiefte sich. «Und jetzt muss etwas getan werden.»
    Bear sah ihn an. Ihre Angst war so unerträglich, dass sie in Taubheit und Apathie umschlug. Sie war drauf und dran, sich damit abzufinden, dass sie jetzt sterben musste. Dann wäre ohnehin alles vorbei, und es gäbe nichts mehr, was sie noch fürchten müsste. Sie hörte auf zu zittern.
    Als Mordecai das sah, zwang er sie, ihm direkt in die Augen zu schauen.
    «Sie sind ein perverses Ungeheuer, das Kinder tötet», zischte Bear und wich vor ihm zurück. «Sie werden in der Hölle schmoren.»
    Mordecai hob die Arme. «Aber das hier ist die Hölle», rief er laut in die allgemeine Stille. «Begreifen Sie das nicht? Das hier ist die Hölle. Und ich muss irgendwie darin überleben. Tun, was getan werden muss.» Er schüttelte den Kopf, als täte er sich selber leid. «Ich muss irgendwie damit fertigwerden, und darunter leide ich Tag für Tag. Sie ahnen gar nicht,
wie
ich leide.»
    Bear starrte ihn angewidert an. Plötzlich ging er auf sie zu, griff ihr an die verletzte Schulter und bohrte seinen Daumen in die Wunde. Vor Schmerz schrie Bear laut auf, aber Mordecai drückte noch stärker, bis sie in die Knie ging. Blut spritzte auf und verschmierte den Ärmel seines weißen Anzugs.
    «Wie viele konnten schon vor euch fliehen?», fragte er.
    Bear schrie erneut auf, weil Mordecai den Druck noch einmal verstärkte. Ihr ganzer Körper bebte wie unter einem Stromschlag.
    «Wie viele sind geflohen?», wiederholte Mordecai.
    Bear krümmte sich und ballte die Hände zu Fäusten. Dann holte sie aus und schlug Mordecai mit voller Wucht auf den Mund. Seine Oberlippe platzte auf, und seine Nase knackte. Erschrocken wich er zurück und ließ Bear los. Er taumelte einige Schritte nach hinten und fasste sich ins Gesicht. Dann starrte er seine Hand an und schien nicht fassen zu können, dass er sein eigenes Blut sah. Vor Wut verschlug es ihm einen Moment lang die Sprache.
    Bear versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, aber ein Bodyguard sprang auf sie zu und versetzte ihr einen Boxhieb auf die Schläfe, sodass sie der Länge nach hinfiel und ohnmächtig wurde.
    Wütend sah Mordecai den Bodyguard an. «Ich wollte, dass sie bei Bewusstsein bleibt», herrschte er den Mann an, und das Blut spritzte von seiner Lippe. Der Mann zog sich erschrocken zurück, und Mordecai blickte auf Bear. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und er entblößte die blutbefleckten Zähne.
    «Es ist Gottes Wille», flüsterte er. «Seine Wege sind unerforschlich. Wahrlich unerforschlich. Doch nun sehe ich, was er vorhat. Er will, dass sie
langsam
stirbt, damit sie Gelegenheit hat, über ihre Sünden nachzudenken. Er will, dass sie lange leidet.» Dann wandte er sich an die Soldaten. «Bringt sie in die Mine! Die anderen auch. Dann sprengt den Eingang, damit niemand mehr hinein- oder herauskommt. Und schließt den Tunnel. Sie sollen alle verdursten. Ganz langsam, während wir im Triumphzug auf Kinshasa marschieren.»
    Die Soldaten verbeugten sich, als Mordecai zur Piroge zurückging und dem Bootsführer signalisierte, dass er den Motor starten solle.
    Der Anführer des LRA -Trupps beugte sich über die bewusstlose Bear und hob sie hoch. Ihr Kopf hing ihm schlaff über die Arme, und ihr langes Haar hing herunter. Der Soldat blickte auf ihre nackten Brüste und verzog enttäuscht das Gesicht. Schade um die verpasste Gelegenheit! Er trug Bear zu der Piroge und stopfte sie in den Bug des Bootes.
    Der Motor heulte auf, und die Piroge setzte sich in einer stinkenden Abgaswolke flussabwärts in Bewegung.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 29
    General Jian sah sein Spiegelbild langsam verblassen, als die altertümliche Lampe zu flackern begann und schließlich ganz ausging. Dann saß er im Dunkeln, und nach und nach gingen alle Lampen in dem großen alten Haus aus. Alles war ruhig. Sekunden vergingen, und Jian rührte sich nicht.
    Seit er von der Mine zurückgekehrt war, wohnten sie

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