Der Weg ins Dunkel
vornüber. Bear fluchte und versuchte die Maschine mit den Ruderklappen und gleichmäßiger Gaszufuhr gerade zu halten.
«Zu früh», schimpfte sie und ärgerte sich über ihre Ungeduld. «Los, komm schon! Gleich haben wir’s.»
Wieder nahm die Maschine die Nase hoch, und dieses Mal hob sie ab. Statt jedoch schnell an Höhe zu gewinnen, hielt Bear sie wenige Meter über dem Boden, kurz über der endlosen Reihe von Heckflossen der UN -Maschinen. Mit meisterlicher Beherrschung der Ruderklappen balancierte sie den Flug so aus, dass die Maschine ruhig lag, bis sie eine Geschwindigkeit von hundert Knoten erreichte. Erst dann zog sie sie nach oben und flog eine Kurve, die von den Jeeps wegführte.
Sie hörten Gewehrsalven und sahen die kreisenden Bewegungen der Suchscheinwerfer, aber weder das eine noch das andere konnte sie treffen. Langsam stiegen sie in den Nachthimmel und überflogen bald dicht bewachsenes Buschland. Die Leuchtspuren der Gewehrsalven hinter ihnen waren noch eine Weile zu sehen, dann wurde das Feuer offenbar eingestellt, und nur noch die Suchscheinwerfer zuckten über ihnen durch die Dunkelheit. Noch immer verzichtete Bear darauf, schnell zu steigen. Ihre Verfolger schienen sie in deutlich größerer Höhe zu vermuten.
«Haben wir was abgekriegt?», brüllte Luca.
Mit gesenktem Kopf suchte Bear die Unterseite der Flügel ab, dann betätigte sie vorsichtig die Querruder, um die Maschine nach links und rechts zu neigen. Alles funktionierte, wie es sollte. Schließlich sah sie zu Luca hinüber, atmete erleichtert durch und schüttelte den Kopf.
Er wollte etwas sagen, aber Bear klopfte mit dem Finger auf ihr Headset, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich ebenfalls ein Headset aufsetzen sollte. Dann gab sie René dasselbe Zeichen.
«Alles in Ordnung mit euch beiden?», fragte sie, als beide die Anweisung verstanden und befolgt hatten.
«Ja», sagte Luca erschöpft und hielt sich immer noch am Griff über dem Fenster fest.
Nach einer kurzen Pause meldete sich auch René über das krächzende Funksystem. «Ich hatte eine Scheißangst», sagte er. «Ich hasse das Fliegen. Dabei beschossen zu werden, macht es nicht gerade angenehmer.» Er beugte sich vor und klopfte Bear auf die Schulter. «Aber Sie haben das gut gemacht, Mädel. Sehr gut sogar.»
«Es war knapp», sagte sie. «Zu knapp. Ich hätte nicht gedacht, dass sie so auf uns losgehen.»
«Skrupellose Schweine», sagte René, suchte seine Taschen ab und steckte sich schließlich eine Zigarette an. Der Rauch zog durchs Cockpit und ließ seinen erhitzten Kopf noch röter wirken. Dann kam sein dichter schwarzer Bart in Bewegung, als er zu einem breiten Grinsen ansetzte. «Aber wenn Sie versprechen, dass Sie nie wieder so einen Start hinlegen, solange wir an Bord sind, ist alles gut. Auch für Sie. Um ein Haar hätten Sie mit meinem Mageninhalt Bekanntschaft gemacht.»
Bear drehte sich um und wollte René das Rauchen verbieten, doch dann verzichtete sie darauf, wandte sich wieder ihren Instrumenten zu und machte die Lüftungsklappe ein Stück weiter auf. Sie holte eine Karte neben ihrem Sitz hervor, richtete den Strahl einer kleinen Taschenlampe auf die laminierte Oberfläche und verglich Ziel und Kompass. Nach einer minimalen Richtungsänderung lehnte sie sich zurück.
Eine Weile sagte niemand etwas, dann fragte sie Luca: «Was haben Sie eigentlich vor? Fabrice war nicht gerade sehr auskunftsfreudig.»
Luca sah aus dem Fenster. Sie befanden sich direkt über dem Edwardsee. Die Wasseroberfläche schimmerte silbern im Mondlicht und erstreckte sich über viele Kilometer.
«Wir suchen einen Freund, der vor circa sechs Monaten verschwunden ist.»
«Vor sechs Monaten? Das ist lange für ein so unübersichtliches Land wie den Kongo. Warum glauben Sie, dass er noch am Leben ist?»
Luca zuckte mit den Schultern.
«Wie wollen Sie vorgehen? Haben Sie einen Plan? Oder wollen Sie einfach in den Ituriwald eindringen und sich ein bisschen umsehen?»
«So ungefähr.»
«Es ist ein riesiges Gebiet, und Sie haben nicht gerade viel Gepäck dabei. Meinen Sie nicht, dass Sie mehr brauchen als einen Rucksack und ein paar Dosen Insektenspray?»
«Wir wissen, wo sein Wagen angegriffen wurde. Mehr brauchen wir für den Anfang nicht.»
«Ach nein?»
Luca schüttelte den Kopf.
«Aber Sie haben Erfahrung mit diesen Breitengraden, nicht wahr? Sie waren schon mal im Dschungel?»
«Nicht wirklich», sagte Luca.
Bear sah ihn von der Seite an. Dann sagte sie:
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