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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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«Nichts für ungut, aber was Sie da sagen, klingt ziemlich verrückt. Immerhin begeben Sie sich in ein Gebiet, das von der LRA kontrolliert wird. Und das, um jemanden zu suchen, der vor sechs Monaten verschwunden ist … Sind Sie sicher, dass Sie wissen, worauf Sie sich da einlassen?»
    «Sie brauchen uns nur abzusetzen. Danach gehen wir unserer eigenen Wege.»
    «Das werden Sie auch müssen. Und damit eins klar ist: Unsere Abmachung besteht darin, dass ich Sie nach Epulu bringe. Nicht mehr und nicht weniger. Es interessiert mich einen Dreck, was Fabrice Ihnen womöglich noch alles versprochen hat. Sobald wir gelandet sind, trennen sich unsere Wege.» Bear sah Luca grimmig an. «Und wenn sich doch alles schwieriger anlässt, als Sie es sich jetzt vorstellen, brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen, mich alle fünf Minuten um Hilfe zu bitten. Da draußen sind Sie auf sich allein gestellt.»
    Luca drehte sich zu ihr um und sah sie so feindselig an, dass sie sich fragte, was in ihm vorging. Plötzlich war er wie verwandelt. Sie sah, dass er die linke Hand aufs Armaturenbrett zubewegte. Dann riss er das Kabel seines Headsets heraus und kappte damit die Verbindung. Er wandte sich von ihr ab und starrte in die Nacht. Das schummrige Kabinenlicht beleuchtete sein Profil. Bear behielt ihn noch einen Moment im Auge und sah, wie wütend und verbittert er war. Sie kannte diese Gefühle, auch wenn es Jahre her war.
    «Er legt zurzeit keinen großen Wert auf gepflegte Konversation», kam Renés Stimme übers Headset. «Aber machen Sie sich nichts draus. Er berappelt sich, wenn er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Und was das andere angeht: Wir wissen, dass Ihr Job lediglich darin besteht, uns in Epulu abzusetzen. Danach verschwinden wir.»
    Bear nickte. Dann fragte sie: «Ist er immer so empfindlich?» Sie wusste, dass Luca sie ohne Headset bei dem Motorenlärm nicht verstehen konnte.
    «Luca?» Es rasselte in der Leitung, als René geräuschvoll ausatmete. «Nein. Er war mal ganz anders. Ob Sie es glauben oder nicht: Er war mal einer der besten Bergsteiger der Welt, ein echtes Genie. Er hat Wände bezwungen, die wie eine Glasscheibe aufragen. Aber dann ist im Himalaja vor ein paar Jahren was passiert, das er nie verwunden hat. Es quält ihn immer noch.»
    «Was denn?»
    René antwortete nicht gleich. Etwas in ihm sträubte sich dagegen, es auszusprechen. Schließlich fragte er: «Wollen Sie es wirklich wissen?»
    Ohne etwas zu sagen, wartete Bear geduldig auf die Antwort.
    «Erst kam eine Mordslawine runter», erzählte René nach einer Weile. «Und dann wurde sein bester Freund vor seinen Augen umgebracht. Ein Schuss, genau zwischen die Augen.»
    «Herr im Himmel», murmelte Bear. Sie sah aus dem Fenster, wo der Mond über dem See langsam höher stieg und den Nachthimmel erhellte. Sie hing ihren eigenen Gedanken nach. Dann drehte sie sich zu René um. Trotz der diffusen Beleuchtung sah er, wie ernst sie dreinblickte.
    «Ich habe viele Kriege miterlebt», sagte sie. «Und ich weiß, dass jeder Mensch auf Schicksalsschläge anders reagiert. Manche können hinterher nicht mehr sprechen, andere nehmen einfach ihr altes Leben wieder auf. Und dann gibt es welche mit einem bestimmten Blick, einem leeren, abgestumpften Blick, hinter dem eine furchtbare Wut brodelt. Sie sind wie Raubtiere, die plötzlich und unerwartet zuschlagen.» Sie wandte sich wieder den Instrumenten zu. «So wird man, wenn man zu viel gesehen hat. Und hier im Kongo passieren andauernd Sachen, die Menschen in diesen Zustand versetzen.»
    «Was wollen Sie damit sagen?», fragte René.
    «Damit will ich sagen, dass es hier jede Menge kaputter Typen gibt, René. Total kaputte Typen. Für Menschen, die sich nicht unter Kontrolle haben, können diese Typen sehr gefährlich werden.» Verstohlen sah sie zu Luca hinüber.
    René schüttelte den Kopf. «So einer ist Luca nicht», sagte er. «Er macht eine schwierige Zeit durch, aber das ist auch schon alles.»
    «Sind Sie sich da sicher? Wie gut kennen Sie ihn überhaupt?»
    «Wir kennen uns schon ewig. Glauben Sie mir, er braucht nur ein bisschen Zeit, um über die Sache hinwegzukommen, dann ist er wieder ganz der Alte.»
    «Ihr Wort in Gottes Ohr.»
    Bear holte noch einmal die Karte hervor und verglich sie sorgfältig mit ihren Instrumenten, während René sich im unbequemen Rücksitz zurücklehnte und den Rest seiner Zigarette im Aschenbecher der Seitentür ausdrückte. Er fragte sich, wie weit das, was Bear

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