Der Weg ins Dunkel
gab sie Gas und versuchte verzweifelt, die Maschine mit einem Kickstart wieder zum Leben zu erwecken. Der Motor machte jedes Mal genau eine Umdrehung, wenn sie den Zündschlüssel drehte, aber das war auch schon alles.
Sie wurden immer langsamer. 70 Knoten … 60 …
Instinktiv verstärkte Luca den Zug am Steuerknüppel, um den Abstand zum Boden zu vergrößern.
«Nein, nicht!» Bear nahm seine Hände und brachte sie in die alte Position. «Nicht überziehen! Wir brauchen einen spitzen Winkel zum Boden.»
«Aber die Baumkronen!»
«Tu, was ich sage!»
Vorsichtig drückte Luca den Steuerknüppel, senkte die Maschine leicht ab und erhöhte so die Geschwindigkeit, während Bear immer wieder den Motor zu starten versuchte, doch vergeblich.
Wieder ertönte eine Maschinengewehrsalve, aber dieses Mal aus weiterer Entfernung, sodass die Schüsse ihnen nichts anhaben konnten. Innerhalb weniger Sekunden waren sie ihrer Reichweite entkommen und näherten sich einem kleineren Kongozufluss. In der morgendlichen Hitze lag das braune Wasser ruhig und glitzernd unter ihnen.
Die Maschine verlor immer mehr Höhe, und die Geschwindigkeit sank von 50 auf 40 Knoten. Dann übernahm Bear wieder den Steuerknüppel.
«Wir landen», sagte sie leise. «Schnallt euch fest.»
Luca und René starrten sie an, als verstünden sie nicht, was sie gesagt hatte. Dann griffen sie schnell nach ihren Gurten und zogen sie so fest sie konnten. Luca hielt sich wieder am Griff über dem Fenster fest und stützte sich mit dem linken Arm am Armaturenbrett ab.
«Das wird schon», sagte er. «Du schaffst es. Versuch, so nahe wie möglich ans Ufer zu kommen.»
«Verdammte Scheiße», murmelte René und atmete schwer, als er Bear über die Schulter starrte und durch die zersplitterte Windschutzscheibe die hoch aufragenden Bäume auf sich zukommen sah.
Bear schaltete die Frequenz des Transponders auf 7800 und checkte ihre Position auf dem GPS -Gerät.
«Mayday, Mayday, Mayday», rief sie und ging im Kopf das vorgeschriebene Prozedere durch. «Hier Golf Hotel Juliet. 2 ° 16 ´ 52 ˝ Nord, 28 ° 13 ´ 35 ˝ Ost. Motorschaden. Drei Personen an Bord. Cessna 206 . Setzen zur Landung an bei …» Sie schüttelte den Kopf und sprach nicht weiter. Dann schaltete sie den Funk ab und sagte leise zu sich selbst: «Was soll’s? Uns kommt ja doch keiner zu Hilfe.»
Die Maschine glitt unter einem riesigen Ast hindurch, der weit über den Fluss ragte. Bear schaute nach oben und beobachtete den Vorgang fassungslos. Sie waren nur sechs, sieben Meter über der Wasseroberfläche, und es sah so aus, als würde die Maschine jeden Moment eintauchen.
«Achtung, jetzt!», rief Luca.
Genau wie Bear machte er sich auf den Aufprall gefasst, während Renés Stimme aus dem Headset kam: «Passt gut auf euch auf!»
Im nächsten Moment schrillte das Alarmsignal wieder los. Die Maschine glitt über den Fluss und schien einen Moment lang stillzustehen, ehe sich die Nase absenkte und aufs Wasser stürzte.
Der Aufprall riss alle drei vornüber, sodass sich die Gurte in ihre Leiber schnitten. Dann war die ganze Maschine von Wasser umspült. Die Scheiben wurden eingedrückt, das Plexiglas sprang ihnen an die Arme und ins Gesicht, und braunes Wasser lief ins Cockpit.
Die Heckflosse hob sich und katapultierte sie in eine fast vertikale Position. Dann krachte der Rumpf mit einem dumpfen Knall aufs Wasser, schwappte hin und her und legte sich schließlich auf die Backbordseite, bis das Cockpit halb unter Wasser lag.
Luca schlug die Augen auf und drehte sich langsam um. Bear war ans Armaturenbrett geschleudert, ihr langes Haar hing ihr ins Gesicht. Sie bewegte sich nicht. Ihr Sitz war aus der Verankerung gerissen und hatte sie nach vorne gedrückt.
Luca nestelte an seinem Gurt herum und versuchte ihn zu öffnen. Irgendwann gelang es ihm, und er kippte auf das braune Wasser. Als er Halt fand und sich aufrichtete, hatte er die Augen voll Wasser. Er wischte sich mit den Händen übers Gesicht und sah, dass sie ganz rot wurden. Erst dann merkte er, dass er aus einem Schnitt über dem Auge blutete.
Er beugte sich zu Bear hinüber und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Dabei tropfte sein Blut auf ihre Wange. Ihre Augen waren geschlossen. Luca legte ein Ohr an ihren Mund, um zu prüfen, ob sie atmete. Sie stöhnte leise, dann fuhr sie sich reflexartig mit der Hand an die Schulter. Luca sah, dass der Gashebel kurz über dem Arm ein Loch in ihre Schulter gebohrt hatte. Die
Weitere Kostenlose Bücher