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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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Metallstange war abgebrochen, steckte in ihrer Schulter und trat an ihrem Rücken wieder aus, ohne durch die Haut zu stechen, sodass sie sich wie ein Geschwür vorwölbte. Luca löste Bears Gurt, hielt sie an der heilen Schulter und zog sie vorsichtig vom Armaturenbrett zurück.
    Sie schrie auf, als sich ihre verletzte Schulter bewegte. Dann schrie sie erneut auf, als Luca sie auf die Seite legte. Ihr Oberkörper ließ sich bewegen, aber ihre Beine waren unter dem Sitz verklemmt.
    «Hast du dir die Beine gebrochen?», fragte Luca, aber Bear reagierte nicht, sondern starrte ihn nur an. Sie schien völlig weggetreten zu sein.
    Doch dann hob sie eine Hand und flüsterte: «Du blutest.»
    «Ich weiß», sagte Luca. «Halb so schlimm. Deine Beine … Kannst du sie bewegen?»
    Bear machte eine Bewegung, dann flatterten ihre Augenlider, und sie drohte ohnmächtig zu werden.
    Luca strich ihr die Haare von den Wangen. «Hör zu, Bear», sagte er laut. «Du musst dich konzentrieren. Spürst du deine Beine?»
    Sie öffnete die Augen und blinzelte, weil sie nicht klar sehen konnte. Dann nickte sie. «Ja, ich kann meine» – sie zögerte – «meine Füße bewegen.»
    «Okay», sagte Luca. «Bleib wach. Hörst du? Du musst wach bleiben!»
    Er drehte sich zu René um. Zwischen den Sitzreihen war das Dach der Maschine aufgerissen und ließ Tageslicht herein. Scharfe Metallkanten ragten ins Cockpit, und durch die tiefsten Öffnungen auf der abgekippten Seite sickerte Wasser in den Frachtraum. René hatte den Kopf auf die Seite gelegt, wenige Zentimeter unter dem zerfetzten Flugzeugdach. Seine Augen waren geschlossen, sein Mund stand leicht offen. Er war vollkommen durchnässt.
    «René!», rief Luca und zwängte sich durch die schmale Lücke zwischen den Vordersitzen.
    René reagierte nicht.
    «Komm schon, René!» Luca packte den Kragen von Renés Baumwollhemd und zog seinen Kopf von der Seitenwand des Flugzeugs weg. Er schlackerte hin und her. Erschrocken ließ Luca ihn los und starrte ihn entsetzt an.
    «Nein! Nein, nein!», stammelte er und merkte, dass Panik in ihm aufstieg. Er drückte zwei Finger an Renés Hals, um nach seinem Puls zu fühlen. Er musste sich zwingen, ruhig zu bleiben und genau hinzufühlen, doch sosehr er auch nach dem geringsten Anzeichen von Leben spürte, konnte er keins feststellen.
    «René!», schrie Luca so laut, dass die ganze Maschine davon widerhallte. «Komm schon, René!»
    Er drückte stärker auf Renés Hals und wartete ein paar Sekunden. Dann versuchte er es ein Stückchen weiter oben, doch auch da war kein Puls zu fühlen. Luca spürte, wie erhitzt René war, und fühlte seinen Schweiß, aber nichts anderes. Er zog den Kopf vorsichtig zu sich heran und sah, dass René zwischen Schulter und Haaransatz von etwas getroffen worden war. Dort war seine Haut wächsern und stumpf, in der Mitte schwarz unterblutet und lila bis gelb an den Rändern. Was immer durchs Flugzeugdach geschlagen war, hatte René so voll erwischt, dass es ihn beinahe den Kopf gekostet hätte.
    Luca nahm Renés Kopf zwischen die Hände und beschwor ihn, die Augen zu öffnen oder sonst ein Lebenszeichen von sich zu geben. Es konnte einfach nicht wahr sein, dass er ausgerechnet hier starb, im tiefsten afrikanischen Dschungel. René war ein Bär von einem Mann, ein unverwüstliches Kraftpaket. Einer, der sich über alles und jedes amüsieren konnte und selbst in der aussichtslosesten Situation nicht aufgab. Was musste geschehen sein, um ihn zu bezwingen?
    Luca wurde heiß und schwindelig, und er merkte, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Er riss die Augen auf, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. Doch dann musste er plötzlich würgen. Es war ein Reflex, den er nicht kontrollieren konnte. Er schloss die Augen und ließ seinen Tränen freien Lauf, und was sich dann Bahn brach, waren Gefühle, die sich monatelang im Himalaja in ihm angestaut hatten.
    «Nicht das!», schluchzte er. «Alles, nur nicht das!»
    «Luca!», rief Bear.
    Luca rührte sich nicht und starrte seinem Freund ins Gesicht.
    «Luca!» Bear schrie so laut, dass Luca sich schließlich zu ihr umdrehte. «Das Wasser steigt. Wir gehen unter.»
    Tatsächlich hatte sich die Lage der Maschine verändert, und das Wasser strömte nun auch durch die kaputten Scheiben herein. Dadurch wurde sie vorne schwerer und senkte sich ab.
    Luca ließ René los und wandte sich Bear zu. Das braune Wasser ging ihr schon bis zu den Hüften und stieg langsam über ihren Bauch. Er

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