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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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das Laufen ihm die Luft genommen, aber er wusste, dass dieses Gefühl nicht von der Anstrengung herrührte. Wie Tiere wurden sie gejagt, und es gab kein Entrinnen. Trotzdem suchte er nach einem Ausweg, aber das Getrommel machte ihn ganz konfus, und er konnte nicht klar denken. Es war zum Verrücktwerden.
    «Alles in Ordnung?», fragte Bear, als sie sah, wie blass er wurde. Er schien sich jeden Moment übergeben zu müssen.
    «Wir müssen einfach weiterlaufen», sagte er und merkte selbst, wie hoffnungslos er klang. «Etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.»
    Bear antwortete nicht, sondern drehte sich um und blinzelte in den Wald. Kurz darauf hob sie die offenen Hände, legte den Kopf in den Nacken und rief:
«Jambo! Tunaleta madawa kwenye kabila lenu.»
Hallo! Wir bringen eurem Stamm Medizin.
    Als nichts geschah, rief sie es noch einmal und ließ den Blick über den Waldrand schweifen, der so dicht war, dass man nur wenige Zentimeter hineinsehen konnte.
    Plötzlich raschelten Blätter und Zweige in ihrer Nähe, und zwei Jungen betraten die Lichtung. Die ganze Zeit über hatten sie anscheinend kaum fünf Meter entfernt gestanden, ohne dass etwas von ihnen zu sehen war. Beide waren nackt und trugen nichts als eine geflochtene Schnur um die Lenden, die vorne herunterhing und ihr Geschlecht verbarg. Ihr Haar war bis auf die Haut abrasiert, und ihre Arme und Schenkel waren mit Streifen rissiger weißer Farbe verziert – eine Stammesbemalung. Beide hielten einen Speer mit Feuerspuren in der rechten Hand, und einer der Jungen trug einen Gurt aus dünnen Zweigen über der Schulter, an dem Pfeil und Bogen hingen. Der andere trug ein großes zusammengerolltes Netz auf dem Kopf, dessen Halteseile bis zu seiner Hüfte herunterhingen.
    «Jambo»
, sagte Bear freundlich und lächelte den Jungen zu. Ihr Alter war schwer zu schätzen, aber sie hielt sie für junge Teenager.
    Die beiden starrten sie mit großen Augen an, schienen aber keine Angst zu haben, sondern warteten nur ab.
    «Naitwa kina nani?»
Wie heißt ihr?
    Die Jungen sahen einander an, bevor einer die Beine weiter auseinanderstellte und kaum hörbar sagte: «Lanso.» Dann zeigte er mit dem Speer auf seinen Bruder. «Abasi.»
    «Na vijiji vyenu vingine viko wapi?»
Und wo sind die anderen aus eurem Dorf?
    «Yingi ni kwa moyo.»
Die meisten sind bei den Geistern. Der Junge sprach noch leiser als vorher.
    «Na wengine?»
Und die anderen?
    «Ilienda kutoka hapa. Ni parefu.»
Von hier weggegangen. Weit weg.
    Lanso zeigte auf Luca und sagte zu Bear:
«Tunawajua wazungu! Mwambie atupe dawa.»
Wir haben schon mal weiße Männer gesehen. Sag ihm, er soll uns die Medizin geben.
«Kaka yangu anahitaji pia.»
Mein Bruder braucht welche.
    «Tutakupatia dawa sasa hivi»
, erwiderte Bear. Wir holen euch die Medizin.
    «Wie kommt es, dass du sie verstehst?», schaltete Luca sich in das Gespräch ein.
    «Viele Maputi sprechen ein ähnliches Suaheli wie in meiner Heimat.» Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. «Er sagt, die anderen Dorfbewohner sind entweder tot oder geflohen.»
    «Warum? Was ist passiert? Und warum hat man die beiden zurückgelassen?»
    Bear drehte sich wieder zu den Jungen um und kniete sich hin, sodass ihr Kopf nicht über die Schultern der Jungen hinausragte. Dann sprach sie leise mit ihnen.
    Nach wenigen Sekunden trat Lanso auf sie zu und starrte fasziniert auf den Fleck in ihrem rechten Auge, der nicht pigmentiert war. Einige Minuten sprachen sie miteinander, und Lanso wurde immer selbstsicherer. Schließlich wandte Bear sich wieder an Luca.
    «Sie sagen, dass sie hier geblieben sind, weil es ihr Dorf ist und sie nicht wissen, wohin sie sonst gehen sollten. Was die anderen betrifft … Die Männer wurden vor einiger Zeit abgeholt. Ich weiß nicht, wie lange das her ist, weil die Maputi nur bis sieben zählen. Alles, was mehr ist, bezeichnen sie einfach nur als ‹viel›. Die beiden haben die Spur der Männer ein Stück verfolgt, aber dann haben sie Angst bekommen und sind zurückgekehrt.»
    «Und die Frauen und Kinder?», fragte Luca.
    Bear seufzte. «Eine böse Geschichte …»
    «Meinst du, es war die LRA ?»
    «Wer sonst?»
    Luca drehte sich zum Dorfeingang um, wo der LRA -Trupp früher oder später auftauchen würde. «Wir verschwenden bloß unsere Zeit.»
    Bear sprach weiter mit den Jungen, aber Luca sagte, sie solle damit aufhören, als die Trommeln wieder zu hören waren.
    Die Jungen erstarrten, als sie das Geräusch hörten.
    «Sie

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