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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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ihn und nahm sein Gesicht in die Hände.
    «Komm schon, Luca! Steh auf!»
    Sie zerrte an ihm, bis er mit dem Oberkörper hochkam, aber sein Kopf fiel ihm dabei in den Nacken. Er hob die rechte Hand, um zu signalisieren, dass sie ihn in Ruhe lassen sollte. Bear schlug ihm wieder ins Gesicht.
    Er versuchte, den Blick zu fokussieren und sie anzusehen. Dann fielen ihm die Augen zu. Die Anstrengung war einfach zu groß. Vor Verzweiflung schrie Bear laut auf, verdrehte die Augen zum Himmel und sah den Hubschrauber über ihnen in der Luft stehen. Der Wirbel der Rotoren brachte die Bäume zum Wanken und riss Blätter von den Zweigen, die sich im Licht des Suchscheinwerfers drehten, bis sie taumelnd zu Boden gingen.
    Dann drehte der Hubschrauber in einer weiten Kurve ab, um die Suche fortzusetzen. Bear verfolgte seinen Flug durch die Lücken im Blätterdach, aber für die Piloten war der Wald zu dicht, um sie sehen zu können. Für den Moment waren sie also sicher.
    Seit über zwei Minuten versuchte sie, Luca aus der Bewusstlosigkeit zu holen. Das Rattern der Rotoren kam ihr wie ein Zeitmesser vor, der die wertvollen Sekunden zählte, die ihnen verloren gingen, solange Luca am Boden lag. Wenn Bear ihm in die Augen sah, waren seine Pupillen geweitet. Er hatte also eine Gehirnerschütterung, und es konnte Stunden dauern, bis er wieder ganz bei sich war. Noch eine Minute, dachte sie, dann würde sie die Flucht ohne ihn fortsetzen müssen.
    «Wach auf!», schrie sie wieder. «Du musst aufstehen und Joshua retten. Erinnerst du dich an Joshua?»
    Der Name schien zu ihm durchzudringen und einen Lebensfunken zu entfachen. Er blinzelte wieder und versuchte, den Kopf zu heben.
    «Gut so! Joshua!», sagte Bear. «Steh auf und hilf ihm!»
    Luca griff nach ihrem Arm und zog sich mit erstaunlicher Kraft hoch. Er stöhnte und fasste sich an die Rippen.
    «Wo ist … Joshua?», murmelte er.
    «Da entlang», sagte Bear und zeigte vom Inselberg weg. «Aber wir müssen uns beeilen, wenn wir ihn einholen wollen.»
    Luca sah in die Richtung, in die sie zeigte, stand auf und schleppte sich auf wackligen Beinen ein Stück voran. Doch schon nach wenigen Schritten brach er zusammen und fiel auf die Knie. Bear war bei ihm und verhinderte, dass er ganz zu Boden ging. Da er keinerlei Körperspannung hatte und sich selber nicht hielt, war er fast zu schwer für sie. Erst als sie sich so hinstellte, dass sie festen Boden unter den Füßen hatte, konnte sie ihn wieder aufrichten. Dann sah sie auf ihre Armbanduhr. Die Minute war um. Sie musste sich entscheiden.
    «Shit»
, murmelte sie. Sie spürte die Anspannung in den Waden, weil sie den schwankenden Luca immer noch festhielt. Sie musste sich wirklich entscheiden. Jetzt. Ihr Kopf sagte, dass sie sich unter seinem Arm wegducken, das Weite suchen und so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die LRA bringen sollte. Doch etwas hielt sie zurück.
    Unentschlossen stand sie da und versuchte, ihren Fluchtinstinkt zu unterdrücken, als Luca plötzlich ihre Schulter umklammerte und sie zum Stillstehen zwang, als hätte er ihre Gedanken erraten. Er hielt sie ganz fest, und sie wunderte sich wieder, wie viel Kraft er plötzlich hatte.
    «Du musst die Führung übernehmen», murmelte er. «Wenn du mir hilfst, schaffe ich es.»
     
    Sie setzten sich in Bewegung, und das Rattern der Hubschrauber wurde leiser. Nach einer Weile änderte sich das Geräusch, und die Maschinen kamen wieder näher, schwirrten dann aber erneut in so weite Ferne ab, dass sie die Geräusche des Dschungels kaum noch übertönten.
    Luca konnte jetzt etwas schneller gehen. Noch hielt er sich an Bears Schulter fest und folgte ihr blind, aber er bewegte sich nicht mehr so unsicher und unbeholfen. Sie hörte seinen Atem hinter sich und fühlte den Schweiß auf seiner Hand. Seine Nähe hatte beinahe etwas Beruhigendes, denn in all dem Chaos hier bildeten sie eine Gemeinschaft.
    Zwanzig Minuten lang hatten sie sich einen Weg durchs Unterholz gebahnt, als Luca plötzlich zu sprechen begann. «Die Jungen», sagte er. «Wo ist Abasi?»
    Ohne sich umzudrehen, antwortete Bear: «Sie haben es beide nicht geschafft.»
    Nach einer Weile sagte Luca: «Was sind das bloß für Menschen, die einen Jungen zusammenschießen, der mit nichts als einem Speer bewaffnet ist?»
    Bear spürte, dass er langsamer wurde. Die grauenhaften Erlebnisse schienen ihn am Vorwärtskommen zu hindern, als müsste er sie wie schweres Gepäck mitschleppen. Sie versuchte es zu

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