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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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sich beeilt und die Verschnaufpausen nicht genutzt, um ein versöhnliches Wort zu finden. Stundenlang waren sie gelaufen und hatten das Tempo ständig erhöht, als wollten sie einander beweisen, wozu sie fähig waren.
    Luca hatte große Schmerzen. Er vermutete, dass er sich zwei Rippen gebrochen oder zumindest angeknackst hatte, und der Schmerz war immer stärker geworden. Er versuchte ihn zu ignorieren, konzentrierte sich immer nur auf den nächsten Schritt, dann wieder den nächsten, und dachte nicht darüber nach, wie lange sie schon unterwegs waren oder wohin ihr Weg sie führte.
    Der Regen wurde so stark, dass er bald wie eine senkrechte Wand vor ihnen stand. Blitze zerrissen den Himmel, gefolgt von krachendem Donner. Schnell waren beide bis auf die Haut durchnässt, ihre Kleider wurden schwer, und die Nähte ihrer Hosen scheuerten an der Innenseite ihrer Schenkel.
    Als das Gelände abschüssig wurde, schrie Bear plötzlich auf. Auf dem durchnässten Boden hatte sie den Halt verloren und rutschte einige Meter auf dem Rücken durch den Schlamm. Dann stieß sie sich das Knie an einem vorstehenden Ast und schrie noch einmal auf, dieses Mal vor Schmerz. Luca machte einen großen Schritt, um über sie hinwegzusteigen, und lief ungerührt weiter. Bear sah fassungslos zu ihm auf und fluchte leise. Dann rappelte sie sich auf und spurtete los, um ihn einzuholen.
    Kurz darauf kamen sie zu einem großen umgestürzten Baum. Sein Wurzelwerk ragte hoch vor ihnen auf und hatte ein tiefes Loch im Erdboden hinterlassen. Inzwischen waren sie seit sechs Stunden im Laufschritt unterwegs, und Bear tat der ganze Körper weh.
    «Das hier bietet uns Schutz», sagte sie keuchend. Nur ein schmaler Streifen entlang des Stamms war vom Regen verschont geblieben, aber er war groß genug, um ihnen Platz zu bieten. «Ich brauche eine Pause. Wenigstens zwei Stunden.»
    Während Luca im Regen stand, bahnte sie sich einen Weg durch die Baumwurzeln und legte sich ins Trockene. Noch nie war sie so erschöpft gewesen. Seit über zwei Tagen hatten sie kaum etwas gegessen, und sie war so hungrig, dass sie schon Magenschmerzen hatte. Während der letzten zwei Stunden waren sie so schlimm geworden, dass ihr übel und schwindelig war. Obwohl sie erst vor kurzem ihren letzten Müsliriegel gegessen hatte, war ihr Zustand nicht wesentlich besser geworden.
    Sie atmete tief aus und wühlte sich tiefer in die trockene Erde. Sie war so ausgepumpt, dass sie der Gedanke an weitere Tage auf der Flucht durch den Dschungel völlig mutlos machte. Die Lage kam ihr aussichts- und hoffnungslos vor.
    Luca blieb vor dem Baum stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Er atmete schwer, blies sich die Regentropfen von der Nase und starrte in die Nacht. Der strömende Regen hatte ihm die Haare an die Wangen geklatscht, und sein T-Shirt klebte ihm am Körper.
    Bear drehte den Kopf, konnte aber von ihrer Position aus nur seinen Oberkörper hinter den Baumwurzeln sehen. Sie beobachtete ihn eine Weile. Die Wut und Frustration von vorhin waren längst einer unbezwingbaren Müdigkeit gewichen. Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht, als sie dachte: Was sind wir beide doch für Sturköpfe!
    «Komm aus dem Regen!», rief sie. «Auch du brauchst eine Pause.»
    Luca rührte sich nicht.
    «Komm schon! Wir werden noch viel Kraft brauchen. Also lass uns ein paar Stunden ausruhen und dann weitergehen.»
    Er drehte sich in ihre Richtung, aber sie konnte in der Dunkelheit nicht erkennen, was für ein Gesicht er machte. «Bitte, Luca!»
    Ohne ein Wort zu sagen, kletterte er durch das Wurzelgestrüpp und quetschte sich in die trockene Ecke neben Bear. Sie rückte ein Stück zur Seite, um mehr Platz für ihn zu schaffen. Er zog sein durchnässtes T-Shirt aus und wrang es aus. Dann knüllte er es zusammen und benutzte es als Kopfkissen. Er drehte Bear den Rücken zu und starrte in die Nacht.
    Sie lagen so dicht beieinander, dass Bear die feuchte Hitze spürte, die sein Körper verströmte. Sie versuchte, zur Ruhe zu kommen, aber der Schmerz in ihrer Schulter war jetzt so stark, dass er in ihren Rücken ausstrahlte. Sie lag ganz still und versuchte sich zu entspannen, aber die Erinnerungen an die Ereignisse des Tages traten ihr immer deutlicher vor Augen, eins nach dem anderen, bis ein Bild übrig blieb und alle anderen überlagerte. Zuerst war es nicht viel mehr als eine flüchtige Skizze ohne Einzelheiten und Bedeutung, doch dann begriff sie, was sie da sah. Es war das

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