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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Pryor sprang wild entschlossen auf, verkündete rührselig »Lasset uns beten« und - fing an zu beten. Mit dröhnender Stimme, die in jeden Winkel der überfüllten Kirche drang, legte er los und war bereits in voller Fahrt, ehe seine verwirrte und entsetzte Zuhörerschaft merkte, dass sie es mit einem Friedensappell übelster Art zu tun hatte. Eins musste man ihm lassen: Zivilcourage hatte er. Vielleicht, so meinten die Leute hinterher, fühlte er sich aber auch nur sicher in der Kirche und hielt das für eine glänzende Gelegenheit, gewisse Überzeugungen an die Öffentlichkeit zu bringen, die er anderswo nicht auszusprechen wagte, aus Angst, die Leute würden sich dann auf ihn stürzen. Er betete, dieser gottlose Krieg möge endlich ein Ende haben. Den irregeführten Armeen, die an die Westfront ins Verderben geführt worden seien, mögen die Augen aufgehen, welches Unrecht sie tun, und sie mögen es bereuen, ehe es zu spät sei. Die armen jungen Männer, die hier in Uniform anwesend seien, habe man auf einen Weg des Mordens und des Militarismus gehetzt, und sie mögen noch rechtzeitig gerettet werden -Bis hierhin war Mr Pryor gekommen, ohne dass ihn irgendjemand unterbrochen hätte. Seine Zuhörer waren wie gelähmt. Aber sie waren schließlich allesamt dazu erzogen worden, dass man in einer Kirche mucksmäuschenstill sein muss, auch wenn noch so provozierende Worte fallen. Und so hatte es ganz den Anschein, als könne er seine Rede ungehindert bis zum Ende fortsetzen. Schließlich meldete sich doch ein Mann zu Wort, der sich von der Ehrfuchtvor dem heiligen Gebäude nicht anstecken ließ. Es war Norman Douglas, der, wie Susan schon oft klar und deutlich zu verstehen gegeben hatte, nichts als ein Heide war. Doch er war ein durch und durch patriotischer Heide. Und als ihm die Bedeutung dessen, was Mr Pryor da von sich gab, erst richtig zu Bewusstsein kam, packte Norman Douglas die Wut. Mit einem Mordsgetöse sprang er auf, drehte sich zu den Leuten um und rief mit Donnerstimme: »Aufhören, sofort aufhören! Was ist das für ein scheußliches Gebet! Einfach widerwärtig!«
    Alles horchte auf. Ein Junge in Uniform, der weiter hinten stand, ließ einen zaghaften Beifallsruf vernehmen. Mr Meredith machte eine abweisende Handbewegung, aber Norman dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. Ehe seine Frau ihn zurückhalten konnte, sprang er über seine Bank hinweg und packte den unglückseligen Mondgesicht-mit-Schnauzbart am Kragen. Nun blieb Mr Pryor gar nichts anderes mehr übrig, als aufzuhören, denn Norman, dessen rote Barthaare sich vor Wut sträubten, schüttelte ihn so heftig, dass man fast seine Knochen klappern hörte, und unterstrich sein Gebaren mit einer Sammlung wilder Schimpfwörter. »Du Lästermaul!« - schüttel, schüttel - »du heimtückisches Aas!« - schüttel - »du Halunke!« - schüttel - »du elender Hund!« - schüttel - »du widerlicher Parasit!« - schüttel - »du Barbar!« - schüttel - »du gemeine Schlange - du - du . . .« Norman rang nach Luft. Jeder rechnete damit, dass, Kirche hin, Kirche her, sein nächstes Schimpfwort dem Fass den Boden ausschlagen würde. Doch ein zufälliger Blick hinüber zu seiner Frau genügte, um immerhin zur Bibel zurückzukehren: »Du Heuchler!«, brüllte er mit einem letzten Schütteln und stieß dabei Mondgesicht-mit-Schnauzbart mit solcher Wucht von sich, dass dieser unglückselige Pazifist fast vorne am Altar landete. Mr Pryors rosiges Gesicht verfärbte sich aschfahl. Verzweifelt wandte er sich um und keuchte: »Verklagen werde ich dich!«
    »Na und!«, tönte Norman und wollte schon wieder zum Angriff übergehen. Doch Mr Pryor hatte das Weite gesucht. Er wollte diesem rachelüsternen Militaristen nicht ein zweites Mal in die Hände fallen.
    »He, macht nicht so ein verblüfftes Gesicht, ihr Priester!«, brüllte Norman triumphierend. »Ihr konntet natürlich nichts sagen - keiner erwartet das von einem Geistlichen aber irgendjemand musste doch eingreifen! Ihr seid doch bloß froh, dass ich ihn rausgeworfen habe! Dieses aufrührerische Geschwätz und Gejodel kann sich doch keiner mehr anhören! Das ist doch Landesverrat. Genau das Richtige für mich, jetzt habe ich wenigstens in der Kirche mal meine Meinung gesagt. Die nächsten sechzig Jahre kann ich ruhig auf meinem Platz sitzen bleiben. So, macht ruhig weiter, Priester. Ich schätze, jetzt kommt euch kein Pazifist mehr ins Gehege.« Aber mit der andächtigen und ehrfürchtigen Stimmung

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