Der Weg ins Glueck
Hoffnung und Trost an die Front zu schicken. Ich weinte wie ein Baby. Und doch - irgendwie bin ich wohl unverbesserlich, jedenfalls musste ich mir plötzlich, während ich noch heulte und Fred so ein verzweifeltes Gesicht machte, vorstellen, wie er mir jeden Morgen für den Rest des Lebens mit dieser Nase am Frühstückstisch gegenübersitzt -und das war mir einfach zu viel. Da, das ist zum Beispiel etwas, was meine Nachkommen nicht in diesem Tagebuch zu lesen kriegen sollen. Aber es ist nun mal die demütigende Wahrheit. Vielleicht war es gut so, dass ich daran denken musste, sonst hätte ich ihm womöglich aus lauter Mitleid und schlechtem Gewissen ein voreiliges Versprechen gegeben. Wenn Freds Nase genauso hübsch aussähe wie seine Augen und sein Mund - wer weiß. Nicht auszudenken, in was für eine missliche Lage ich mich da womöglich gebracht hätte!
Als der arme Fred begriff, dass ich ihm das Versprechen nicht geben konnte, da verhielt er sich ganz tapfer. Doch gerade das machte alles nur noch schlimmer. Wenn er wenigstens hässlich zu mir gewesen wäre, dann hätte ich nicht solche Gewissensbisse zu haben brauchen. Andererseits - wozu eigentlich Gewissensbisse, schließlich habe ich Fred nie zu verstehen gegeben, ich hätte etwas für ihn übrig. Und trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen und habe es immer noch. Falls Fred Arnold nie mehr aus Übersee zurückkommt, dann wird mich das mein Leben lang verfolgen.
Dann sagte Fred, wenn er schon nicht meine Liebe mit in die Schützengräben nehmen dürfte, dann möchte er wenigstens das Gefühl haben, mein Freund zu sein, und ob ich ihm dann nicht wenigstens einen Kuss zum Abschied geben könnte, vielleicht zu einem Abschied für immer?
Ich verstehe überhaupt nicht, wie ich mir jemals einbilden konnte, Liebesaffären wären etwas Schönes und Spannendes. Schrecklich sind sie, sonst nichts! Ich konnte dem armen geknickten Fred nicht den winzigsten Kuss geben, wegen des Versprechens, das ich Ken gegeben habe. Richtig brutal kam ich mir vor. Es blieb mir nichts anderes übrig, als Fred zu sagen, dass er zwar meine Freundschaft haben könne, aber dass ich ihn nicht küssen dürfe, weil ich es einem anderen versprochen hätte.
Da fragte er: »Ist es - ist es - Ken Ford?«
Ich nickte. Es war schrecklich, das sagen zu müssen - denn eigentlich war das doch ein kleines Geheimnis zwischen Ken und mir.
Als Fred weg war, ging ich in mein Zimmer und weinte so lang und so heftig, dass Mutter heraufkam und wissen wollte, was los sei. Ich erzählte es ihr. Sie hörte mir zu und machte dabei ein Gesicht, als ob sie sagen wollte: »Ist es denn möglich, dass jemand dieses Baby schon heiraten will?« Aber sie war so nett zu mir und so verständnisvoll, so unglaublich mitfühlend, dass mich das unbeschreiblich getröstet hat. Mütter sind wirklich das Liebste, was es gibt.
»Ach, Mutten, schluchzte ich, »ich hätte ihm gern einen Abschiedskuss gegeben, aber ich konnte nicht, und das war schlimmer als alles andere.«
»Na, und wieso hast du ihm keinen Kuss gegeben?«, fragte Mutter allen Ernstes. »Unter den Umständen wäre doch nichts dabei gewesen, denke ich.«
»Aber ich konnte nicht, Mutter. Ich habe doch Ken beim Abschied versprochen, dass ich niemand anderen küssen werde, bis er wieder da ist.«
Das wirkte wie Sprengstoff. Ihre Stimme hätte sich fast überschlagen, als sie fragte: «Rilla, bist du mit Kenneth Ford verlobt?«
«Ich - weiß - nicht«, schluchzte ich.
»Du - weißt - es nicht?«, wiederholte Mutter.
Dann musste ich ihr auch noch mal die ganze Geschichte erzählen. Dabei komme ich mir immer alberner vor, wenn ich mir einbilde, Ken hätte es wirklich ernst gemeint. Ich schämte mich richtig, als ich schließlich fertig erzählt hatte. Mutter saß eine Weile schweigend da. Dann kam sie zu mir herüber, setzte sich neben mich und nahm mich in die Arme. »Weine nicht, liebe kleine Rilla-meine-Rilla. Was Fred angeht, brauchst du dir keine Vorwürfe zu machen. Und wenn Leslie Wests Sohn dich gebeten hat deine Küsse für ihn aufzuheben, dann, denke ich, darfst du davon ausgehen, dass du mit ihm verlobt bist. Ach, mein Kleines - das letzte meiner Kinder jetzt habe ich dich auch verloren. Der Krieg hat aus dir viel zu schnell eine Frau gemacht.«
Auch wenn ich noch so sehr eine Frau bin, in Mutters Armen werde ich immer Trost finden. Trotzdem, als ich dann zwei Tage später Fred an mir vorbeimarschieren sah, da war mir entsetzlich weh ums
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