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Der Weg ins Glueck

Titel: Der Weg ins Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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wenn jemand in Ohnmacht gefallen ist. Und jetzt weiß ich es sogar praktisch. Zum Glück war der Bach in greifbarer Nähe, und nachdem ich ihr eine Hand voll Wasser nach der anderen ins Gesicht geschüttet hatte, kam sie wieder zu sich. Sie sagte kein Wort zu der Neuigkeit, und ich traute mich auch nicht, noch mal davon anzufangen. Ich stützte sie auf dem Weg durchs Ahornwäldchen bis hinauf zu ihrem Zimmer, und dann sagte sie: »Rob -ist - am Leben«, als ob ihr die Worte aus dem Leib gerissen würden; dann warf sie sich aufs Bett und weinte und weinte und weinte. Ich habe noch nie jemanden so weinen sehen. All die Tränen, die sie die ganze Woche nicht vergossen hatte, weinte sie jetzt. Ich glaube, sie hat fast die ganze letzte Nacht geweint, aber heute Morgen machte sie ein Gesicht, als hätte sie irgendeine Vision gehabt. Wir waren alle so glücklich, dass es uns fast Angst gemacht hat.
    Di und Nan sind für ein paar Wochen zu Hause. Dann nehmen sie ihre Rotkreuzarbeit im Trainingslager von Kingsport wieder auf. Ich beneide sie. Vater sagt, was ich hier mache mit Jims und meinem Jugend-Rotkreuz sei genauso wertvoll. Aber das ist nicht so romantisch wie das, was sie machen. Kut ist gefallen. Es war fast eine Erleichterung, weil wir es schon so lange befürchtet haben. Einen Tag lang waren wir getroffen davon, dann nahmen wir uns zusammen und ließen es hinter uns. Cousine Sophia sah schwarz wie immer. Sie kam herüber und stöhnte, die Briten würden aber auch überall verlieren.
    »Sie sind gute Verlieren, sagte Susan grimmig. »Wenn sie was verloren haben, dann suchen sie so lange herum, bis sie es wieder finden! Wie dem auch sei, mein König und mein Land brauchen mich jetzt, um Kartoffelsetzlinge für den Hinterhof abzuschneiden, also hol dir ein Messer und hilf mir, Sophia Crawford. Ich werde dich ablenken und dich davor bewahren, dich um einen Feldzug zu sorgen, der dich nichts angeht.«
    Susan ist wirklich in Ordnung, und es ist eine Freude zuzusehen, wie sie Cousine Sophia lahm legt.
    Die Schlacht um Verdun will und will kein Ende nehmen und wir schwanken ständig zwischen Hoffnung und Angst. Aber ich weiß, dass Miss Olivers merkwürdiger Traum den Sieg Frankreichs vorhergesagt hat. »Sie werden nicht durchkommen.««

Aufruhr in der Kirche
    »Wo wandelst du in Gedanken, oh Anne mein?«, fragte Gilbert.
    Selbst nach vierundzwanzigjähriger Ehe sprach er Anne manchmal noch so an, wenn sie allein waren. Anne saß gerade auf der Verandatreppe und starrte geistesabwesend auf die Blütenpracht des Frühlings vor ihr. Hinter dem schneeweißen Obstgarten wuchsen dunkle junge Tannen und wilde Kirschbäume dicht an dicht und die Rotkehlchen zwitscherten aus voller Kehle. Es war Abend und die ersten Sterne funkelten schon über dem Ahornwäldchen.
    Mit einem Seufzer kam Anne wieder zu sich. »Ich habe nur vor der unerträglichen Wirklichkeit Trost gesucht in einem Traum, Gilbert. Ich habe geträumt, all unsere Kinder wären wieder zu Hause und alle wären wieder klein und spielten zusammen im Regenbogental. Jetzt ist es immer so still, aber eben war es, als hörte ich wie früher ihre fröhlichen Kinderstimmen aus dem Tal herauf. Ich hörte Jem pfeifen und Walter jodeln und die Zwillinge lachen, und da habe ich tatsächlich für ein paar Minuten die Kanonen an der Westfront ganz vergessen und hatte ganz kurz ein trügerisches Gefühl des Glücks.«
    Gilbert sagte nichts. Es kam vor, dass seine Arbeit ihn die Westfront vorübergehend vergessen ließ, aber das kam nur selten vor. Seine immer noch dichten Locken waren in den letzten zwei Jahren ziemlich grau geworden. Aber jetzt lächelte er die sternengleichen Augen an, die er so liebte - diese Augen, die einst so voller Lachen gewesen waren und jetzt so voller unvergossener Tränen zu sein schienen.
    Susan spazierte daher, in der Hand eine Hacke und auf dem Kopf ihre zweitbeste Haube.
    »Gerade habe ich in der Enterprise von einem Paar gelesen, das in einem Flugzeug geheiratet hat. Ist denn so was legal, lieber Doktor, was meinen Sie?«, fragte sie mit besorgter Miene.
    »Ich glaube, ja«, sagte Gilbert ernst.
    »Also«, sagte Susan zögernd, »ich finde, so ein Schwindel erregendes Flugzeug hat doch gar nichts Feierliches an sich, wie kann man darin bloß heiraten. Aber schließlich ist nichts mehr so, wie es war. So, noch eine halbe Stunde bis zur Andacht, da werde ich noch mal in den Gemüsegarten marschieren und das Unkraut in Angriff nehmen. Aber während ich

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