Der Weg ins Glueck
Schützengräben. An Nan und Di und Rilla, die warteten und warteten und warteten, während die goldenen Jahre der Jugend vergingen. Und sie fragte sich, ob sie mehr als das ertragen könnte. Nein, dachte sie, sie hatte genug gegeben. Doch in derselben Nacht sagte sie zu Shirley, er könne gehen.
Susan erfuhr es nicht sofort. Sie wusste selbst dann noch nichts, als Shirley ein paar Tage später in die Küche kam und sich in seiner Fliegeruniform zeigte. Aber Susan machte nicht halb so viel Aufstand wie damals, als Jem und Walter fortgingen. Mit steinerner Miene sagte sie nur: »So, dich nehmen sie also auch.«
»Mich nehmen? Nein. Ich gehe von selbst, Susan, ich muss.« Susan setzte sich an den Tisch, faltete ihre knotigen alten Hände, die von der Arbeit für die Ingleside-Kinder ganz krumm geworden waren, und sagte: »Ja, du musst gehen. Früher habe ich nicht eingesehen, wozu so was nötig ist, aber jetzt verstehe ich es.«
»Du bist ein Schatz, Susan«, sagte Shirley. Er war erleichtert, dass sie es so leicht nahm. Ein bisschen hatte er - wie jeder Junge - befürchtet, sie würde eine Szene machen. Fröhlich pfeifend ging er hinaus. Aber eine halbe Stunde später, als Anne mit blassem Gesicht hereinkam, saß Susan immer noch da, inmitten von schmutzigem Geschirr.
»Liebe Frau Doktor«, sagte Susan, »ich fühle mich sehr alt. Jem und Walter haben Ihnen gehört, aber Shirley gehört mir. Und ich kann die Vorstellung einfach nicht ertragen, dass er fliegt ~ und seine Maschine stürzt ab und quetscht ihn zu Tode - diesen lieben kleinen Kerl, den ich liebkost und gehätschelt habe, als er noch ein winziges Baby war.« Das zuzugeben kostete Susan äußerste Überwindung.
»Susan - nicht!«, bat Anne.
»Ach, liebe Frau Doktor, ich bitte um Verzeihung. Ich hätte so etwas nicht laut sagen dürfen. Manchmal vergesse ich, dass ich beschlossen habe eine Heldin zu sein. Aber das jetzt, das hat mich ein wenig erschüttert. Doch es wird nicht noch einmal Vorkommen, dass ich mich vergesse. Nur wenn in den nächsten Tagen in der Küche nicht alles so glatt läuft wie gewöhnlich, dann dürfen Sie mir das nicht übel nehmen. Wenigstens«, sagte die arme Susan und versuchte krampfhaft zu lächeln, um die Fassung wiederzuerlangen, »wenigstens ist Fliegen ein sauberer Job. Da wird er nicht so schmutzig wie in den Schützengräben, und das ist gut so, wo er doch immer so ein ordentliches Kind war.«
So also ging Shirley fort: nicht mit strahlendem Gesicht wie in Erwartung eines großen Abenteuers, so wie Jem, und auch nicht mit blassem Gesicht wie jemand, der beschlossen hat sich aufzuopfern, so wie Walter, sondern mit kühler, geschäftlicher Miene, wie jemand, der eine ziemlich schmutzige und unerfreuliche Arbeit vor sich hat, die eben getan werden muss. Er gab Susan einen Kuss, das erste Mal, seit er fünf Jahre alt war, und sagte: »Leb wohl, Susan - Mutter Susan.«
»Mein kleiner Junge, mein kleiner Junge«, sagte Susan. Und sie dachte bei sich, als sie Gilberts trauriges Gesicht sah: Ob der sich wohl noch daran erinnert, wie er Shirley mal verhauen hat, als er noch ein Baby war? Ich bin froh, dass ich so was jetzt nicht auf meinem Gewissen habe.
Gilbert erinnerte sich tatsächlich nicht daran. Aber bevor er sich zu seinen Krankenbesuchen aufmachte, stand er noch einen Augenblick in dem großen, stillen Wohnzimmer, das früher einmal so voller Kinderlachen gewesen war.
»Unser letzter Sohn, unser letzter Sohn«, sagte er laut. »Und so ein entschlossener, kluger Kerl. Er hat mich immer an meinen Vater erinnert. Wahrscheinlich sollte ich stolz darauf sein, dass er gehen wollte. Ich war doch stolz, als Jem ging, und ich war sogar stolz, als Walter ging, aber jetzt ist unser Haus einsam und verlassen.«
»Euer Haus kommt euch jetzt bestimmt ganz schön groß vor, könnt ich mir vorstellen«, sagte der alte Sandy aus Upper Gien am Nachmittag zu ihm.
Mit diesem Satz traf Sandy, der Schotte, den Nagel auf den Kopf. Ingleside kam Gilbert wirklich sehr groß und leer vor an diesem Abend. Und das, obwohl Shirley ohnehin den ganzen Winter fort gewesen war, bis auf die Wochenenden, und auch da war er immer sehr ruhig gewesen. Er war der Letzte gewesen, der noch übrig war. War das der Grund, warum plötzlich alles so leer schien, jedes Zimmer so verlassen, warum sogar die Bäume draußen im Garten so aussahen, als ob sie sich gegenseitig mit ihren frischen Zweigen zärtlich trösten wollten, weil nun das letzte der kleinen
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